Als die kleine Fee ins
Bett ging, da war alles noch in bester Ordnung. Der Wald lag
ruhig in seinem Schlafe, nur ab und zu raschelte es im Laub und
der gewohnte Duft der bunten Blumen umgab das Reich.
Die kleine Fee war
lächelnd eingeschlafen und freute sich schon auf den
kommenden Tag. Sterne
funkelten durch das Blätterdach und schauten lächelnd
auf die kleine Fee herunter.
Langsam ging die Sonne
auf. Noch mit geschlossenen Lidern schien sie hell, ja fast
grell, ins Gesicht der kleinen Fee. Die Luft roch ungewohnt.
Nicht so frisch, nach Morgentau, nicht nach kleinen Blumen und
nach klaren Quellen und erst recht nicht nach Träumen. Sie
roch so... ungewohnt und fühlte sich erdrückend an.
Langsam öffnete die kleine Fee ihre Augen, verwarf aber
sofort den Gedanken. Ausgiebig gähnte und streckte sie
sich, wie sie es immer tat. Dann richtete sie sich auf und
öffnete erneut die Augen. Erschrocken schaute sie sich um.
Was war passiert? Was war mit dem Wald geschehen? Alles sah so
trübe aus. Grau und vernebelt. Aus
den Bäumen, die sie so sehr liebte, waren komische Gebilde
geworden. Groß ragten sie bis zum Himmel. Und diese
Geräusche? Was war das? Es klang wie 50 Bienenschwärme
mit Bärengebrüll... Die
kleine Fee war verunsichert. Worauf saß sie? Sie tastete
vorsichtig. "IHH!" schrie sie auf. Es war glatt,
eiskalt und hart. Das war nicht ihr Blatt. Ganz und gar nicht.
Die kleine Fee öffnete
ihre Flügelchen und erhob sich. Flog hinauf zum Himmel.
Erschrocken schaute
sie hinunter. Unter ihr tümmelten sich fahrende Blechkisten
in rasender Geschwindigkeit und Menschen wuselten wie Ameisen
über die grauen Wege. Die grauen Gebäude sahen, wenn
man sie länger betrachtete, recht nett aus und kamen denen
des Zauberers sehr nahe. Aber so viele... Nur ab und zu sah die
kleine Fee ein Bäumchen, ein Pflänzchen. Meist nur in
Schüsseln. Für Blumen hätte die kleine Fee nie
Gefäße genommen. "Die sind doch für das
klare Wasser da..?!" wunderte sie sich. Die kleine Fee
drehte eine Runde um einen großen Platz und landete auf
einen dieser grauen Wege, Bürgersteige wie es
die Menschen dort nannten. Ein
wohl großer Fehler. Denn keiner nahm Rücksicht auf
dieses kleine Wesen. Große Füße stampften knapp
an den Flügelchen der Fee vorbei. Einmal wurde sie von
einem Fuß sogar getreten, worüber die kleine Fee sehr
erbost war und schrie: "Sieht mich niemand???"
Einmal kam ein Kind an
der kleinen Fee vorbei und rief zu seiner Mutter: "Mama, da
sitzt eine Fee auf dem Kantstein! Schau doch mal, Mama, sieh
doch hin!!!" Dabei zog es die Mutter immer in Richtung Fee.
Das kleine Wesen freute sich sehr, daß endlich jemand sie
sah. Aber ihre Freude wehrte nicht lange, denn kurz darauf sagte
die Mutter: "Kind, was redest du da? Bist du krank? Es gibt
doch keine Feen. Du tüddelst! Du weißt doch, du
sollst nicht lügen!" Damit war es für die Frau
getan. Sie zog das zeternde und weinende Kind weiter und die
kleine Fee saß betrübt auf dem Kantstein und wusste
nicht, was sie tun sollte. Nach
einer Weile beschloss sie, die Menschen zu beobachten. Sie sah,
daß sich die Menschen nicht einmal grüßten,
wenn sie aneinander vorbei gingen, was im Wald doch so
selbstverständlich war. Jeder ging schnellen Schrittes,
achtete auf keinen anderen und sah nur seinen Weg.
Mit jeder
verstreichenden Stunde, die die kleine Fee in der Stadt war,
fand sie die Stadt etwas interessanter. Aber dieses Gewusel
wurde ihr nicht vertraut. Sie war eben ein Wesen, daß das
bunte Treiben der Menschen von außen betrachtete.
"Ab und zu kann
es ja ganz schön sein, in so einer Stadt zu leben, glaube
ich. Aber dennoch würde es mich hier nie für immer
hinziehen. Der Wald ist doch viel schöner. Jeder kennt
jeden und eine gewisse Vertrautheit ist da."
Langsam ging die Sonne
im Dunst der Stadt unter. Die kleine Fee wurde langsam müde.
Sie erhob sich und legte sich in einen Blumenkübel. Die
Umgebung, die Blumen, sie kamen ihr so heimisch vor.
Und so schlief sie
ein. Aber nicht so, wie sie es immer tat, nicht mit Vorfreude
auf den nächsten Tag. Ob sich so alle fühlen, die in
der Stadt wohnen? Ob sie sich freuen auf den nächsten
Tag???
Am nächsten Tag,
als die kleine Fee wieder die Augen öffnet, ist alles
wieder normal. Die alten, vertrauten Bäume, die klare,
blumengefüllte Luft und das Summen der emsigen Bienchen.
Ob es Traum oder
Realität es war, das weiß nur die Fee...
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