Fee und Elf
Eine Geschichte von Anna Lilja
Der Morgentau glänzt in der aufgehenden Sonne wie Edelsteine, widerspiegelt die Träume der kleinen Kinder in der Menschenwelt und ist, wie Sonnenaufgang und Sternengefunkel zugleich. Die Sonne schiebt sanft die kleinen Wattewölckchen, die den saphyrblauen Himmel wie eine kleine Decke überziehen, weg. Sie schickt kleine Sonnenstrahlelfen zu Boden, dass sie die kleinen Geschöpfe und Wesen des Waldes aufwecken. Eine jede Sonnenstrahlelfe fliegt zu einer Blume, öffnet sie vorsichtig und schaut hinein. Sitzt dort eine kleine Fee oder ein kleiner Troll, so setzt die Sonnenstrahlelfe sich auf das Wesen und weckt es sanft mit lieber Stimme.
Ein leichter Wind streicht über die Bäume, kitzelt sie sanft und tanzt mit ihnen. Er kühlt die großen Stämme der Mammutbäume und lässt kleinen Glockenblumen zu Wippen werden. Der Nebel des Schlafes verzieht sich auf leisen Sohlen und lässt das Moos der Träume zum Vorschein kommen. Leises Gähnen kann man im Wald hören. Ab und zu sieht man eine kleine Fee oder einen Troll oder Gnom durchs Geäst huschen, von Eile getrieben. Wenn der Morgen kommt, so herrscht im Walde ein reges Treiben. Vieles wird am Morgen für den angebrochenen Tage vorbereitet.
Man sieht, wie Feen aus ihren kleinen Blumenkelchen hervorkriechen, vorsichtig herauslugen, sich strecken und verschlafen mit den Augen zwinkern, man sieht Gnome, wie bekannt Morgenmuffel, die mit schon fast unnatürlicher Unlust sich recken und strecken und man sieht, wie die Bienen fröhlich und gemütlich durch die Gegend summen. Ja, man kann sagen, der Morgen ist die quirrligste Tageszeit im Traumland...
Die kleine Glücksfee, gerade von einer Sonnenstrahlelfe sanft geweckt, lugt aus ihrer Blume heraus. Sie ordnet ihr gelbes Kleidchen, streicht sich über ihr kupferfarbenes, gewelltes Haar und streicht sich über ihre Nase, die noch vom Kitzeln der Sonnenstrahlelfe, ein wenig juckt. Dabei leuchten ihre Augen, so wie der Morgentau und ihre Sommersprossen scheinen wie kleine Goldtupfen auf ihrer Haut.
Die kleine Fee streckt sich ausgiebig, gähnt und hüpft von ihrer Blume hinunter. Glücksfeen haben eigentlich immer viel zu tun, denn jeder braucht Glück in jeder Hinsicht. Die kleinen Glücksfeen kommen zu einem und helfen anderen kleinen Feen, Elfen, Elben,Trollen und Gnomen. Zu den Menschen kommen sie nur selten, nur zu denen, die wirklich noch an die kleinen Feen glauben. Und der Glaube ist leider sehr selten geworden. Meist sind es nur Kinder, die in ihrer Unschuld nach kleinen Wundern verlangen, die Glück haben möchten...
Die kleine Glücksfee, umgeben von der Sonnenwärme, dem Duft der Blumen und ein paar Hummeln, Bienen und Libellen, schwebt durch den Wald. Sie sieht, wie die kleinsten Feen ihre morgendlichen Frühflüge starten, sie sieht den älteren Elfen beim Weben der Träume zu und sie beobachtet ruhig, wie die Schrate sich unterhalten und wieder einmal einen Plan schmieden, wie sie kleine Feen reinlegen können. Die kleine Fee lächelt bei dem Gedanken, dass meist die Pläne der Waldschrate nicht aufgehen...
Und so schwebt die kleine Glücksfee den Waldweg hinunter, sieht jenes und dieses, sieht das eine oder andere ihm bekannte Wesen und erfreut sich der frischen Sommerluft.
Doch diese ruhige Idylle wird jeh zerstört. Ein Schluchzen gelangt an der kleinen Fee Ohr. Sie schaut sich fragend um, kann aber niemanden erkennen. Sie fliegt weiter den Waldweg hinunter und schaut sich dabei suchend um. Dort, in den Brennesseln liegt ein kleiner Elf. Seine kleinen Fühler eingeknickt, sein Rock ganz zerknittert mit einem kleinen Loch.
„Elf, was ist passiert?“ fragt die Glücksfee vorsichtig und bekommt nur ein Schluchzen als Antwort. „He, komm heraus, dann kann ich besser mit dir reden...“ spricht die kleine Fee mit sachter Stimme. Der kleine Elf erhebt sich behutsam und bedacht, damit er gegen keine der Brennesseln kommt (Brennesseln sind, wie du sicher weißt, für Elfen besonders gefährlich, da sie die kleinen Flügel kaputt machen).
Schluchzend und schniefend betritt er wieder den Waldweg. Die kleine Glücksfee schaut ihn an und fragt sich, was der kleine Elf wohl hat. „Beruhige dich, kleiner Elf, werde ruhig! Sag mir erst deinen Namen...“ Der kleine Elf schluckt und antwortet mit zittrigem Stimmchen: „Mein Name ist Keniak, ich bin ein kleiner Traumelf...“ wieder ein Schluchzen. „Und warum weinst du, Keniak?“ möchte die kleine Glücksfee wissen. Beide setzten sich auf den nächsten kleinen Kieselstein und die kleine Fee nimmt Keniak in den Arm. Jener legt seinen Kopf an ihren und schließt die Augen. Langsam beruhigt er sich. „Weißt du, es ist so... Die Menschen sind kalt geworden, haben keine Zeit mehr zum Träumen. Meine Tätigkeit, Träume zu bringen, ist keine mehr. Du weißt, wir dürfen nur denen Träume bringen, die uns glauben. Und es werden immer weniger.“ Eine kleine Träne kullert über Keniaks feines Elfengesicht.
Die kleine Glücksfee schaut ihn an. „Das ist traurig und hart. Ja, die großen Menschen glauben kaum noch an uns Waldwesen und können daher auch kaum noch träumen...“ Der kleine Elf atmet schwer. „Was soll ich denn nun tun? Die Gabe, jemanden die Träume zu bringen, kann ich nicht ablehnen, es ist doch meine Bestimmung...“ sagt der Elf leise und verzweifelt.
Keniak und die kleine Glücksfee sitzen noch lange dort auf dem Kieselstein, reden über die Menschenwelt, über die Herzen und die Träume. Und die kleine Glücksfee erzählt, wie die Träume überhaupt entstanden sind und erzählt, dass aber auch sie öfter solche Probleme hatte. Menschen, die wenig an die Geschöpfe des Herzens glauben, denen darf keine Gabe gegeben werden und somit ist die eine oder andere kleine Fee ohne eine Tätigkeit.
Die Sonne geht langsam unter. Sie färbt sich in ein goldenes Orange und kleine Sterne glitzern wie Silber an dem dunkelblauen Himmel. Der Wald geht schlafen, aber die beiden Geschöpfe des Waldes wachen. Sie reden und reden und vergessen gar die Zeit. Bis am Ende der kleine Elf zusammensinkt, sich an die kleine Glücksfee schmiegt und seine Augen schließt. -Habe schöne Träume, kleiner Traumelf- denkt die kleine Glücksfee sacht. Dann schläft auch sie ein. Am nächsten Morgen wird die kleine Fee sanft von einer warmen Hand geweckt. Nein, die Sonnenstrahlelfen können es nicht sein, denn die kitzeln einen nur wach. Sie öffnet ihre Augen ganz verschlafen und sieht vor ihr einen lächelnden Elf stehen. „Keniak?“ gähnt die kleine Glücksfee. Das Wesen vor ihr nickt. „Guten Morgen!“ sagt er mit sanfter, wohlklingender Stimme. „Gut geschlafen?“ Die kleine Glücksfee lächelt und nickt. „Schön!“ freut sich der kleine Elf. „Geht es dir wieder besser?“ erkundigt sich die kleine Fee und der kleine Elf schenkt ihr anstatt einer Antwort nur ein herzliches Lächeln.
„Das freut mich...“
„Du, kleine Glücksfee?“
„Ja?“
„Ich verspreche dir: Wenn du traurig bist, so wie ich gestern, dann bin ich sofort bei dir. Dann werde ich dir helfen! Weißt du, dann kann ich doch noch irgendwie nützlich sein, wenn nicht in der Menschenwelt, so doch hier...“
„Damit bin ich einverstanden. Brauchst du mich, bin ich da; braucht ich dich, bist du da...“
Die beiden Waldwesen schauen sich an und lächeln. Dann nehmen sie sich an die Hände und fliegen Hand in Hand durch den Wald. In der Morgensonne scheinen ihre Flügel aus Gold und Silber zu bestehen, mit kleinen funkelnden Steinchen. Beide heben sich von dem Grün der Büsche und Bäume ab. Ein wunderhübsches Farbenspiel...
Der kleine Elf steht der Fee immernoch bei. Wenn es der kleinen Fee nicht gut geht, so ist der Elf sofort an ihrer Seite und umgekehrt. Sie sind für einander da und jeder von ihnen findet es gut so, möchte den anderen nicht missen. Sie werden noch lange zusammen Hand in Hand durch den Wald fliegen und sich über die Menschenwelt, die Herzen und die Gefühle unterhalten. Jeder wird dem anderen noch lange zuhören. Und das ist gut so...

Findest du je eine kleine Fee oder einen kleinen Elf im Wald, so sei nett. Sie werden dir ein guter Freund sein. Elfen sind für die da, die noch an sie glauben, die noch Hoffnung auf ihre Existenz auf haben. Bedenke es: Jeder braucht Glück und jeder braucht Träume und einen Freund!!!!!

Elfe und Fee, gute Freunde

Für M.T., einem Elf, der mir ein guter Freund ist und der mir so wertvoll ist, wie der Elf der kleinen Fee. Er ist ein kleiner Elf, bei dem man nur das Wirkliche erkennt, wenn man zulässt, auch in sich selbst hineinzuschauen...DANKE, mein Freund!!





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