Die Frage des Glücks
Vor langer Zeit, mitten in einem Wald, irgendwo hinter den Schleiern des Alltags, ereignete sich eine Geschichte voller Doppeldeutigkeit, Wahrheit, Träumereien und Gedanken... Doch lasset uns am Anfang des Anfangs anfangen:
Welch schöner
Tag. Kribbelnde Traumluft, Sonnenschein und süßer
Honigduft.
Buntes
Treiben, Wesen aller Art, genießen an schattigen Plätzen
den angebrochenen Tag, der mit der Musik der Wünsche sich
lachend im Wald ausbreitet. 3 kleine Feen sitzen dösend und den
Tag genießend auf den von der Sonne verwöhnten Steinen an
dem großen Waldsee. Erschöpft liegen ihre Flügelchen
in voller Länge auf dem Moose ausgestreckt, glänzen in den
schönsten Farben. Mit geschlossenen Augen träumen sie von
den süßen Necktarblumen, die sich im Winde leicht
wiegen...
Die 3 kleine Feen sitzen auf ihren Steinen und genießen die letzten Sommertage, voller Sommerluft, Vogelgesang und süßen Duft. Jede Jahreszeit hat ihre Pracht, die die kleinen Waldwesen besonders zu schätzen wissen und versuchen in ihren kleinen Herzen aufzubewahren. Und bald, in der unzählbaren Vielfalt der Farben, wird der Herbst in das Land hinter den Schleiern des Alltags eintreten. Bunte Blätter werden die großen Bäume schmücken und die Luft wird nach reifen Äpfeln und Wein riechen. Des Morgens werden kleine Tautropfen wie Perlen auf den Gräsern liegen, im Rot und Gold des Morgens um die Wette glänzen und leichter Nebel wird sich abends über das kleine Land legen und es wie eine weiche Decke schützend umschlingen. Und so genießen die Feen die Sommertage und freuen sich auf die des Herbstes.
Ein Rascheln
gelangt an der Feen Ohr.
Ein
Rascheln, ein Knacken und ein Rauschen. "Was ist das?"
fragen sie sich und schauen sich dabei verwundert an. Keiner von
ihnen weiß die Antwort.
Ein
Windhauch geht durchs Gras und die Espen erzittern, Vögel
fliegen aus den Bäumen heraus und in den blauen Himmel hinein.
In leichten Schwingungen vibrieren die dünnen Grashalme und für
kurze Zeit verstummt der Wald. Mit bangen Augen schauen sich die
kleinen Feen an.
Und,
ein Wippernschlag später, steht vor den dreien eine mächtige
Person. Ein Magier? Ein Zauberer?
Kein
Auge mag zu beschreiben, welch Wesen damals vor den kleinen
zitternden Feen stand. Aber wichtig ist wohl auch, dass
jemals eines dort
war...
Mit
einem sanften Lächeln auf den Lippen tritt er näher an den
Stein der Feen heran.
"Kleine
Feen... Ich habe eine Aufgabe für euch", spricht er mit
wohltuender, angstnehmender Stimme.
Fragend
schauen die drei kleinen Feen sich an. Was meinte er wohl damit?
Als hätte
er ihre Gedanken gelesen, antwortet er wieder lächelnd: "Gebt
mir etwas, das ein ganzes Leben erfüllen kann. Gebt mir etwas,
das das Herz erwärmt und das, was wertvoller ist als Gold..."
Die Person,
nennen wir ihn jetzt erst ein mal "Magier", schwingt ihren
Mantel, glitzernd, als wären die Sterne des Universums auf ihm
versammelt, um seine Schultern. In einer rauchigen Wolke voller
Feenstaub, verschwindet der Magier und hinterlässt drei kleine,
verwunderte Feen.
Und
ein Echo hallt noch ein einziges Mal durch den Wald: "Ihr habt
Zeit, bis die Sonne ihre Strahlen ein fünftes Mal über die
Baumwipfel erstreckt. Aber bedenkt: Jede einzelne soll auf die Suche
gehen, aber am Ende sollt ihr alle es zusammen gefunden haben... Ihr
werdet eure Sache gut machen!"
Und so machen
sich alle Feen auf. Nur wie sollen sie alle Bedingungen erfüllen?
Keine von ihnen weiß es. Und so sitzen sie da und überlegen
und grübeln. Irgendwann springt die eine auf. Sie hat hübsche,
braune Haare, auf ihrem Kopf trägt sie eine kleine Blüte
einer Glockenblume und ihre Flügel leuchten in Grün- und
Brauntönen.
Ohne
den anderen beiden Bescheid zu sagen, läuft sie los. "Meine
Idee ist gut", denkt sie voller Zuversicht. So schwebt sie
geschwinden Flügelschlages los. Durch die Brombeerfelder, über
die Siebenwurzfelder hinweg und durch das grüne Farn am Ufer des
Sees. Ab und zu gluckst sie auf, wenn wieder ein kleiner Halm ihre
Füße streifte.
Du
musst wissen: Kleine Feen sind sehr kitzelig. Wenn man mit Bedacht
und mit sachten Bewegungen unter ihren Füßen kitzelt, so
lachen und glucksen die kleinen Feen voller Freude auf. Doch sei
immer bedacht!
Ihr
Weg führt durch alle Ecken des Waldes und kein Örtchen
bleibt ungesehen. Bald gelangt die kleine Fee zu den Höhlen. Die
Höhlen der Magier und Zauberer, in denen die Träume der
Kinder aufbewahrt werden. Die Höhlen sind umgeben von
gleißendem, wärmendem Licht. Sie glitzern in den Farben
des Regenbogens, als bestünden sie aus ihm.
Die
kleine Fee mit den braunen Haaren, nennen wir sie doch einfach ein
mal, um es dem Leser zu erleichtern Sabienchen, dreht voller
Ehrfurcht den Schlüssel, der das Portal öffnen soll, um und
mit viel Anstrengung öffnet sie die schwere hölzerne Tür.
Eine dumpfe,
donnernde Stimme ertönt: "Was möchtest du, kleine
Fee?" Sabienchen schaut sich verwirrt um. Von allen Seiten hallt
das Echo. "Iee...ich... Ich brauche Hilfe von einem Zauberer..."
Wie von
Zauberhand öffnet sich eine weitere schwere Tür und
Sabienchen betritt einen weiteren großen Raum. An den Decken
scheinen Sterne zu hängen und die Wände sind geschmückt
von Steinen in allen Farben. Moos und andere Waldpflanzen wachsen in
ihnen.
Einer
der Zauberer in dieser Halle, geht auf Sabienchen zu. "Was
möchtest du, kleine Fee? Warum fragst du nach unserer Hilfe?"
- "Wir, drei Feen, haben eine Aufgabe bekommen...
Ich muss etwas
finden, das ein ganzes Leben erfüllen kann, etwas, das das Herz
erwärmt und das, was wertvoller ist als Gold..." Der
Zauberer macht eine angestrengte Miene und denkt schwer nach. Er
streicht über seinen langen Bart und seine Augen funkeln. "Ich
werde noch andere Magier und Zauberer zu Rate ziehen... Ich möchte
dich bitten, vor der Höhle zu warten, bis wir zu einem Ergebnis
gekommen sind." Sabienchen nickt und verlässt die Höhle.
Drinnen
kann man Magier und Zauberer sehen, welche nachdenken, über ihre
Bärte streichen, durch die Halle laufen oder Gebräue
brauen. Jeder von ihnen sucht nach der Antwort auf die Frage. Einen
Tag lang grübeln die Zauberer und Magier, bis drei von ihnen vor
das große Portal treten und jeder von ihnen seine Antwort
Sabienchen präsentiert.
So
sagt der eine: "Dieses Gebräu ist die Antwort! Nimm es
mit!!" Mit diesen Worten reicht er Sabienchen eine Flasche mit
dem roten Saft.
Nun
tritt der zweite vor. "Hier, nimm diesen Stein, DAS ist die
Antwort!" und auch diese "Antwort" nimmt Sabienchen
an.
Und
zu guter letzt tritt der dritte vor und reicht Sabienchen eine kleine
Pflanze, mit dem Satz, SIE wäre die Antwort. Und so nimmt
Sabienchen auch dieses Pflänzchen an.
Mit
den 3 Geschenken fliegt sie flinken Flügelschlages wieder zurück
zu den beiden anderen Feen.
Mit einem
Lächeln, so strahlend wie die Sonne, präsentiert Sabienchen
den anderen ihre Antworten.
"Aber...",
wirft die kleine Fee mit den blonden Haaren, nennen wir sie Lavinia,
ein. "Es passt doch nicht: DU hast anderen aufgetragen, die
Lösung zu suchen... Das ist nicht fair." "Aber was
können wir sonst tun?" fragt Sabienchen verzweifelt. "Wir
haben doch nur noch 3 Sonnenaufgänge..."
Und
so sitzen die kleinen Feen ziemlich ratlos da.
Die
dritte Fee, wir nennen sie Carima, löst sich von ihren
Freundinnen. Und
die Zeit verrinnt, wie Sand zwischen den Fingern...
In
Carima herrscht eine zweifelnde Unruhe.
Was
ist das nur, was dieser Magier von ihr verlangte? WAS?
Carima begibt
sich zu ihrem Lieblingsplatz: eine kleine Tonne, nahe einem
Wasserfall.
Das
Rauschen jenes Wassers legt sich wie Balsam über ihre Seele, der
Duft des frischen Quell ebenfalls...
Was
ist die Antwort und was ist der Sinn dieser Aufgabe? fragt sich die
kleine Fee immer wieder.
Mit
geschlossenen Augen denkt Carima weiter nach. Bis sie, ohne eine Idee
und mit völliger Leere im Köpfchen, zu den anderen wieder
zurückkehrt.
Die Zeit
verrinnt und schon das vierte Mal versinkt die Sonne am Horizont und
zum vierten Mal taucht sich der Himmel in ein tiefes Rot. Und mit den
Tagen schwindet die Hoffnung.
So
sitzen die drei kleinen Feen mit einer Miene wie drei Tage
Regenwetter auf ihren Steinen. Wie gerne würden sie doch die
letzten Tage des Sommers genießen, doch die Aufgabe quält
alle...
Doch
dann, urplötzlich, springt Lavinia auf. Ihr Gesicht erhellt
sich, wie wenn der die dicke Regenwolkenschicht mit einem Male
aufreißt. Ihre Augen funkeln. Sabienchen und Carima schauen die
kleine Fee mit den blonden Haaren verwundert an. "Lasst uns
nicht Trübsal blasen... Egal, was ist... lasst uns die letzten
Sommertage genießen. Wir haben bis jetzt nichts gefunden und
glaubt ihr, wir werden in einem halben Tag noch etwas finden?"
fragt Lavinia und lächelt ihre beiden Freundinnen an. Die
Gesichter der beiden anderen erhellen sich. Und so liegen alle drei
wieder auf ihren Steinen, genießen die Sommerluft, die
prickelnden Sonnenstrahlen und den honigsüßen Zuckerduft.
Es rauscht und
raschelt im Gebüsch und wieder steht der Magier vor ihnen. Mit
bangen Gesichtern sitzen die Feen da und schauen den Magier verzagt
an.
Jener
lächelt. "Ihr habt eure Arbeit gut gemacht, Feen!"
lobt er die drei, die sich nun verwundert anschauen. Sie hatten die
Aufgabe gelöst? Wie denn nur? Sie hatten doch nichts getan...
"Doch,
ihr drei.... ihr habt viel getan... Denkt einfach nur ein wenig nach
und genießt die schönen, warmen Tage..." Mit diesen
Worten ist er wieder verschwunden.
Und
vor dem Schleier des Alltages wird irgendwann die Geschichte dreier
Feen entdeckt, die, ohne dass es ihnen bewusst war, eine Aufgabe
gelöst hatten, die nicht minder von Bedeutung ist.
Aber die wahre
Antwort liegt in und an jedem selbst...