„Kleine Steinfee, was denkst du?“


Die Luft summt, Käfer krabbeln durch das Dickicht und ein kleiner Vogel, gerade aus dem Nest geflogen, zwitschert fröhlich ein kleines Lied. Hell scheint die Sonne durch das Blätterdach und bescheint einen alten, kleinen Stein. Er ist mit Moos bewachsen.

Sein Alter ist schwer zu schätzen. Genau so schwer, wie das Alter der Zeit.

Auf diesem Stein sitzt eine kleine Fee. Sie hat kurze, pechschwarze, Haare und trägt ein langes, graues Kleidchen. Ihre Haut scheint silbrig, mit ein wenig Grün vermischt, wie der Moosbewachsene Stein. Es ist eine kleine Steinfee. Ihr Blick ist in die Ferne gerichtet. Er erscheint erst so leer. Aber schau genauer hin..... Ihr Blick ist voller Gedanken.
Es raschelt im Gebüsch und nach einer Weile kommt ein Gnom auf den Stein zu. Er ist alt. In seinem Gesicht sind Falten. Falten des Lachens, des Weinens, der Zeit... des Lebens. Seine grauen Haare liegen auf seinen Schultern und seine Augen strahlen Wärme und Weisheit aus. Der alte Gnom lächelt. „Hallo, kleine Steinfee... Sag, was denkst du? Worüber grübelst du?“ möchte er wissen. „Ich denke über Leben und Tod nach, Gnom!“ Der Gnom nickt langsam. „Gedanken, die sich eigentlich jeder mal macht“, sagt er und möchte wissen: „Was denkst du über den Tod und das Leben, kleine Steinfee...“
„Jeder denkt anders, alter Gnom. Ich denke, es sollte jedem selbst überlassen bleiben, was er glaubt...“
„Nun, kleine Fee, vielleicht eine wahre Antwort, dennoch würde ich gerne wissen, was DU glaubst. Wie DU denkst...“ hakt der Gnom nach.
Die kleine Steinfee denkt einen Moment nach. „Ich denke, Leben und Tod sind fest verbunden. Das Leben ist etwas ganz Besonderes. Denn man kann zwar bestimmten, wann man sterben möchte, aber man kann nie bestimmen, wann man leben möchte. Das Leben ist nur kurz. Man muß immer bedenken, daß der Tod endgültig ist...“ Die kleine Fee bricht ab und schaut wieder in die Ferne und auch der Gnom schaut nachdenklich drein. „Wie siehst du das Leben, kleine Steinfee?“
„Es ist ein großer Schatz. Aber teilt man ihn, verdoppelt er sich. Die Wege des Lebens sind so verschieden. Es gibt kurze Wege, Umwege und die direkten. Geht man den Umweg, so erlebt man zu viel und nimmt man den zu kurzen, so hat man zu wenig erlebt. Das Leben ist das Suchen des goldenen Mittelweges.“
„Kleine Steinfee, warum denkst du über den Tod und das Leben nach und fliegst nicht fröhlich ohne Sorgen durch dein Leben?“ fragt der alte Gnom herausfordernd.
„Nun ja... Ab und zu ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, wie wichtig der Moment ist. Kleinigkeiten sind wichtig. Aber meist merkt man es zu spät, wenn der Tod gekommen ist.“
„Wie meinst du das?“ fragt der Gnom noch mals nach.
„Nehmen wir an, jemand bringt einer kleinen, jungen Fee einen kleinen Trick mit Feenstaub bei. Ein Trick, der für große Feen eine Kleinigkeit ist. Aber dann stirb die/der Lehrer(in). Wenn man dann später auf diesen kleinen Trick zurücksieht... Jedesmal kommt einem dann doch die Person in den Kopf, die einem das beigebracht hat. Jeder kleine Trick ist ein Schatz...“
Der alte Gnom erhebt sich. „Halt, warte.... Danke!“ ruft die kleine Fee. Der Gnom lächelt. „Wofür? Du hast doch alles gemacht... Hast du nicht nachgedacht?“

Die kleine Steinfee will gerade noch etwas sagen, da ist der alte Gnom schon verschwunden. Und was überigbleibt sind die Worte. Worte der kleinen Steinfee und die letzten Worte und die Fragen des alten Gnomen.

Für Hubert (ich habe den Trick nicht vergessen und mein Versprechen gehalten),
für Sören und Inken auf der Mondstrasse
(mir war es nie vergönnt, diesen wunderbaren Menschen kennenzulernen),
für ibf18 und für M. und Mme Legére (warum so?)!

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