Jinny

In der früher Morgenstunde, irgendwann vor langer Zeit, auf einer kleinen Lichtung im Walde - streckt die Sonne ihre ersten goldgelben Fühler aus. Am Flüsschen, wo die Wassertröpfchen des Morgentaus von den Bäumen schweben, glitzernd auf das weiche Waldmoos fallen und wie tausend kleine Perlen beim Auftreffen auseinanderspringen – aneinandergereiht im Bächlein sich wiedervereinen. Der kleine Wasserfall fädelt sich eine Kette daraus, wo jeden Morgen ein wunderschöner, in allen Farben erstrahlender leuchtender purpurner Regenbogen sich in den Himmel über Rednikanien erstreckt. Jeden Morgen sehen sie ihn und sind erstaunt zugleich über diese Pracht.
Doch an jenem Morgen erstrahlte dieser in einem tristen Grau, ohne die vielen wunderschönen Farben, welche sich in dem kleinen See widerspiegelten und beim Baden dem See etwas Traumhaftes verliehen. 
Stella bemerkte es sofort und da sie immer die Nachdenklichste von allen war, seufzte sie und alle anderen schauten in die Sonnenstrahlen und auf den grauen Regenbogen, welcher ganz traurig anzuschauen war.
Was ist los, sagten alle ein wenig bedrückt und Kissy hatte nicht einmal Lust, am Honigtau zu schnüffeln. Wo sind die schönen Farben? kam über ihre kleinen Lippen und schon meinte sie: Hier endet er, aber wo beginnt er???????? Ist ihm vielleicht etwas zugestoßen, können wir helfen, sprudelten alle auf einmal hervor. Selbst die Tiere des Waldes waren gekommen, um zu schauen, was los war, und blickten wehmütig in den Morgenhimmel. Allen voran der kleine Tappbär mit seiner Mama, die Rehlein, Hasen selbst der Feuervogel war gekommen. Da es zu Fuß ein sehr weiter Weg war, entschloss man sich, sich vom Feuervogel bis ans andere Ende des Regenbogens tragen zu lassen.
Sofort machte man sich auf die Reise und es war eine sehr, sehr lange Reise, da man das andere Ende nicht erkennen konnte. Zwischendurch schliefen sie fest ein und wurden von Colisu mit einem lauten Schrei geweckt, da das Ende vom Zauberwald schon zu sehen war und das Grau dort am Rande irgendwo zwischen den Bäumchen verschwand. Auf der Wiese landetet Colisu und alle stiegen von seinem starken Rücken, bloß Tammi, die schusseligste und tolpatschigste von allen, purzelte kopfüber ins weiche Gras und hätte sich beinahe an einer Glasscherbe geschnitten. Das Blatt, auf dem er gelandet war, bewegte sich ein wenig und ein Rauch stieg auf, aus dem sich ein kleines hübsche Gesicht erschrocken die Hand vor die Äuglein hielt. Verwundert standen alle da und schauten sich an. Marla fand ihre Sprache als allererste wieder und fragte. " Wer bist denn Du und wie kommst du hierher ?"
Ach, kam es traurig und ein wenig leise hervor, ich bin Jinny und lebe einsam in meiner Flasche am Rande des Regenbogenlandes. Jinny - ist schon seeeeeehr alt. So ca 300 Jahre - genau. hier am Waldesrand - mit den vielen dunklen Fichten - Tannen und grünen Wiesen, dem Gebirgsbächlein, süßen Blaubeeren, herben Preiselbeeren, eben dort wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Wie meine Flasche hierher kam, weiß ich heute nicht mehr so genau.

Aber einer hatte sie wohl aus dem Meere gefischt und bis hierher mitgebracht und achtlos an den Waldrand geworfen. Dort ging diese zu Bruch und aus den Scherben wich ein bunter Rauch - es entstand ein schöner Regenbogen zwischen den Fichten und den Walderdbeeren. Aus dem Rest, der noch in der Flasche war, ein Gemisch von goldgelben Honigwein und einem zermahlenen Saphir wurde ein Flaschengeist geboren. So sieht er aus: ein Mädchen lange blonde Haare und grüne Äuglein nicht besonders groß und eher schlank, fast winzig. Damals war sie klein und hilflos. Ein schwarzhaariger Berggeist und seine goldhaarige Elfe fanden sie - und nahmen sie mit.

Die zwei durften eigentlich gar nicht zusammensein - denn es gab damals Streit zwischen den Berggeistern und dem Elfenkönig. Aber sie flüchteten in die tiefen Wälder - mit der kleinen Jinny. Doch sie wussten, dass ihr Glück nicht von langer Dauer sein würde. Aber sie machte es dennoch. Als man den Bergeist eines Tages entdeckte, wurde dieser vor den Elfenrat geführt - und er musste sich von seiner geliebten Elfe trennen. Der Bergeist sollte sagen, wo sie den Minnijinny versteckten. Doch der Minnyjiny wurde nicht verraten. So lebte sie bald einsam und verlassen im Wald. Eine Tages, als die Jinny etwas größer geworden war, ging der Berggeist in den Wald - und kehrten nicht wieder zurück. So blieb die Jinny allein - seither in ihrer zerbrochenen Flasche beim Regenbogen. Sie wartet auf den Berggeist - doch er kehrte nicht zurück.
Seitdem lebe ich hier am Rand des Regenbogenlandes - aber ich kann den Elfen im Mondschein beim Tanzen zuschau'n und ich finde das wunderschön. Hin und wieder fliege ich zum Mond, um die Welt von oben zu betrachten - das ist sehr interessant vor allem, wenn man Einhörner sehen möchte. Diese sehr scheuen Tiere sind nur im Mondschein sichtbar und für Menschenaugen gar nicht. Auf weißen Sommerwolken liegen und sich vom Wind einfach treiben lassen, die Sonne auf der Haut und den Wind im Haar, das ist traumhaft, selbst für eine Jinny. Die Elfen und Feen dagegen lassen ihre Flügelchen im Mondlicht gerne glitzern. Sie setzen sich auf die Blümchen des Waldes und schaukeln darauf oder sie tanzen im weichen Moos und manchmal kann man sie an den Quellen der Gebirgsbäche singen hören. Selbst die Nachtigall, deren Lieder sonst so wunderbar durch die Wälder schallen, lauscht den sanften Melodien, die die Elfen verlauten lassen. Das Regenbogenland birgt noch so viele Geheimnisse und ich möchte sie alle ergründen.
Nachdem er seine Geschichte erzählt hatte, blickte er auf und sah die winzigen Tränchen der Elfen, welche über die kleinen Bäckchen rollten. Er war froh, neue Freunde endlich gefunden zu haben. Gemeinsam rollten sie die zerbrochene Flasche, welche vom Wind umgefallen war wieder in den dicken Sonnenstrahl. Sofort verwandelte sich der graue in einen noch viel schöneren,
freundlicheren, bunteren Regenbogen.

Solltest du einmal im Walde sein und am Rand eine zerbrochene
Flasche entdecken, aus der ein wunderschöner Regenbogen entspringt
so sei leise, denn es könnte darin der Minnijinny am Rande des Regenbogenlandes leben.