Feenauge Eine Geschichte von Saron |
Kennst du die Tage, an denen es regnet und regnet von morgens bis zum Abend und man kann einfach nichts Gescheites draußen anfangen, ohne Gefahr zu laufen, durch und durch nass zu werden? Die Feen können dann nicht mehr richtig fliegen, weil ihre Flügel schwerer und schwerer vom Regen werden und selbst Trolle und Schrate sind es leid, immer hinzufallen, weil sie auf dem schlüpfrigen Waldboden ständig ausrutschen. So versammeln sich alle bei solchem Wetter am liebsten in dem alten verlassenen Fuchsbau neben dem umgestürzten Baum gleich bei dem oberen Weg, der am Meer entlangführt. Dort plaudern sie ein wenig, spielen Feenspiele oder singen etwas gemeinsam. Das Singen ärgert die Trolle zwar ungemein, aber da Feen fast nichts lieber tun als singen, kümmern sie sich nicht weiter darum und stimmten gerade das Lied „Evorim tal ifsor“ (Flieg mit mir ins Blumenland) an, als Saron den Fuchsbau, der wie eine Erdhalle aussah, betrat. Alle verstummten, denn sehr selten kommt der Zauberer zu Besuch, und eine Birkenfee sprach leise aus, was alle in diesem Moment dachten: „Saron, erzählst du uns bitte eine Geschichte? Du warst doch schon so oft bei den Menschen, erzähle uns von ihnen!“ Denn darin sind die Feen den Menschen sehr ähnlich: sie schätzen die Menschen und ihre Lebensweise zwar sehr wenig, hören aber gerne von ihnen, genauso wie die meisten Geschichten der Menschen von Dingen handeln,
die sie selbst nicht gerne erleben würden. Es war ganz
still in der Höhle geworden, einige Kerzen flackerten, die
Feen kuschelten sich aneinander und selbst der kleine dicke
Waldschrat am Boden legte sein Köpfchen gegen ein
Feenbein. |
Sofort gab es einen Tumult, die Männer brachen auf, liefen nach Hause und trugen zusammen, was sie an Wachs nur finden konnten. Denn Menschen wollen immer viel Macht und Einfluss besitzen und gieren nach einem Zauberstab, ohne zu ahnen, dass er völlig unnütz für sie ist, da sie ja nicht mit ihm umgehen können. Als
viele der Leute fort waren, ging ich zurück an meinen Tisch
und sah dort einen Mann sitzen, der dem Mädchen klagte, er
habe seine Arbeit verloren und wisse nun nicht aus noch ein. Da
sah sie ihn an, lächelte und plötzlich sprang er auf,
rief, er wolle zu seinem Oheim gehen, der ein Geschäft
besaß, und dort nach Arbeit fragen. Inzwischen waren die
Leute mit dem Wachs zurückgekehrt. Ich nahm es und überließ
ihnen meinen Zauberstab. Sofort entbrannte ein großer
Streit, wer ihn zuerst ausprobieren durfte. Zwei Männer
begannen gar, aufeinander einzuschlagen, als sie ein Blick des
Mädchens streifte, das von seinem Tisch aufgestanden war
und die Wirtschaft verließ. Da hörten die Männer
auf zu zanken, einigten sich darauf, den Stab nacheinander zu
erproben.“ „Wir
sollten sie `Feenauge´
nennen!“ ,riefen einige Haselfeen, „denn sie ist ein
wenig wie wir Feen und nicht wie die Menschen, hat sie doch
immer den anderen geholfen, die in Not waren! Eine schöne
Geschichte hast du uns da erzählt, danke Saron!“ Es
hatte aufgehört zu regnen.
©P.Eitner2004 |