Es
war ein sehr schöner Tag im Feenland: die Haselfeen flogen
mit den Schmetterlingen um die Wette, die Lilienfeen nähten
sich neue Kleider aus Blütenblättern und
Spinnwebfäden, die Kleine schwarze Fee färbte ihre
Haarsträhnen in den buntesten Farben und die Brombeerfeen
spielten Verstecken. Elfenkindskleineschwester übte gerade
ein neues Lied und die Rosenfeen sammelten einige Kastanien, um
sich mit deren Stacheln vor den Bösewichten zu schützen,
die sie nachts aus den Rosenblüten schütteln wollten,
als plötzlich einige Bergtrolle im Feenland auftauchten.
Recht große, grimmige Gesellen, die auf einem hohen Berg
in der Nähe wohnten und daher dachten, sie seien etwas
Höheres. Feen mögen diese Trolle nicht, weil sie immer
nur an sich denken, viel herum schimpfen und sehr hinterlistig
sind. Aber diesmal waren sie ganz anders: Sie setzten sich zu
den Feen und bewunderten ihre Geschicklichkeit beim Anfertigen
der Kleider.
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Sie
sagten den Feen, dass sie noch nie einen großartigeren
Gesang gehört hätten und dass niemand so schön
fliegen könne wie sie. Aber am meisten bewunderten sie die
Feen selbst, die für sie - so sagten sie wenigstens - die
schönsten Wesen der Welt seien. Nirgendwo hätten sie
etwas Vergleichbares gefunden und jetzt hätten sie Hunger
und die Feen sollten ihnen doch bitte endlich etwas zu essen
geben. Überwältigt von so viel Freundlichkeit, luden
die Feen die Bergtrolle ein, doch bei ihnen zu bleiben und sie
gingen sogleich daran, die feinsten Speisen aus dem Nektar der
Blüten, gemahlenen Haselnüssen und Holundersaft
zuzubereiten, denn bei ihnen ist es wie überall auf der
Welt: Schmeichelworte hört man gerne und vergisst darüber
das wahre Wesen der Schmeichler.
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wollten die Bergtrolle schlafen und die Feen bauten ihnen die
weichesten Moosbetten, dann langweilten sich die Trolle und die
Feen tanzten ihnen etwas vor, dann brauchten die Bergtrolle neue
Kleider und die Feen nähten sie ihnen und dann .... und
dann merkten die Feen, dass sie den ganzen Tag nur machten, was
die Trolle von ihnen verlangten. Alle Feen arbeiteten nur noch
von morgens bis abends und es wurde von Tag zu Tag trauriger im
Feenwald. Da begab es sich eines Morgens, als die Sonne
gerade ihre ersten Strahlen durch das Geäst der Bäume
schickte, dass eine Rosenfee eine Lilienfee auf dem Weg zum
Bache traf. "Was sollen wir nur machen?", jammerte
sie, "wenn die Trolle noch länger bei uns bleiben,
wird bald jedes Lachen und Singen, jedes Spiel, ja alle Freude
und Zufriedenheit in unserem Wald verschwunden sein!" -
"Gewiss", erwiderte die Lilienfee, "aber wir
können sie doch nicht einfach wegjagen, diese Bergtrolle.
Sie sind viel zu groß und zu stark. Ach, wäre doch
Elfenkind bei uns, dann wäre uns geholfen!"
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So
war guter Rat teuer, weil man leider immer erst dann nach einem
guten Rat fragt, wenn das Unglück schon geschehen ist.
Zufällig kam in diesem Augenblick die Wiesenfee vorbei, die
am Rande des Waldes an einer wunderschönen Blumenwiese
wohnte und schon gehört hatte, warum es so still im
Feenwald geworden war. Sie war ein stets fröhliches Wesen,
hörte jetzt aber aufmerksam und voller Mitleid zu, was die
beiden Feen ihr da zu erzählen hatten. "Ihr Armen!",
sagte sie dann mitfühlend, "wäret ihr doch
vorsichtiger gewesen! Ihr kanntet doch das wahre Wesen der
Bergtrolle, aber ich werde euch helfen. Morgen früh werden
die Trolle verschwunden sein.!" Sie lächelte
verschmitzt. "Aber du bist doch auch nur eine Fee!",
warf die Rosenfee zweifelnd ein. "Wie willst du schaffen,
was wir nicht können?" - "Habt nur Geduld und
kommt morgen zu der großen Treppe, die zum Meer führt,
und bringt alle anderen Feen auch mit!", rief sie den Feen
im Davonfliegen noch nach.
Kaum
bei ihrer Wiese angekommen, holte sie etwas von dem Trunk, den
sie aus Blaubeeren, Himbeeren und den anderen Früchten des
Waldes braute. Dieser Trunk machte erst sehr lustig, dann aber
sehr müde und man konnte nicht mehr so richtig fliegen.
Weil das sehr gefährlich für Feen ist, hatte Elfenkind
den Feen davon abgeraten, jemals davon zu trinken. Aber manchmal
muss man Dinge tun, die ganz und gar ungewöhnlich und
vielleicht nicht so ganz erlaubt sind, um ein großes Übel
abzuwenden.
Also
nahm die Wiesenfee einen großen Krug mit ihrem Trunk, flog
ein paarmal über die Wiese hin und her und vollführte
einige waghalsige Kunststückchen und landete dann sicher am
Fuß der großen Treppe. Sofort ging sie an den
Strand, wo die Trolle ihr Nachtlager aufzuschlagen pflegten.
"Hallo,
ich habe euch etwas mitgebracht!", rief sie ihnen entgegen.
"Es wird euch schmecken!" Die Trolle eilten neugierig
herbei, schielten mit gierigen Augen nach dem Krug und nach der
Wiesenfee, die sie offenbar noch nie gesehen hatten. Und dann
tranken und schlürften einer nach dem anderen den Trank,
den sie mitgebracht hatte.Die Wiesenfee musste noch einige Male
hin- und herfliegen, um mehr von dem Trunk zu holen, bis alle
Trolle schnarchend am Strand lagen.
Nun zog und zerrte
die Wiesenfee jeden Troll so lange, bis er mit seinen Beinen im
Meer lag. Davon bemerkten die Schläfer nichts, zu viel
hatten sie getrunken und zu tief waren ihre Träume. Aber
als sie am Morgen erwachten, war das Geschrei und die
Verwunderung groß, denn alle hatten nasse Hosen, die sie
nun ganz schnell auszogen und an die Büsche und Bäume
am Strand hängten,um sie zu trocknen. Da kamen die Feen,
allen voran die Wiesenfee, die Treppe herab und fragten die
Trolle, was sie denn heute für sie tun sollten. "Geht
weg, verschwindet, fort mit euch!", schrien die Trolle
durcheinander, weil sie ohne ihre Hosen auch gar zu komisch
aussahen. Sie rissen ihre Beinkleider von den Büschen und
liefen mit roten Ohren, so schnell sie nur konnten, davon. Und
nie mehr wagte sich einer von ihnen ins Feenland, aus Angst, er
könne sich lächerlich machen. Die Feen umringten die
Wiesenfee, schüttelten ihr die Hand, umarmten und
streichelten sie, um sich bei ihr zu bedanken.
"Ich
habe euch doch lieb!", sagte sie, "ich musste
euch einfach helfen. Wenn jemand einen Fehler macht, muss ein
anderer, der es bemerkt, doch zur Hilfe eilen." Und eh man
sich´s versah, flog sie zurück zu ihrer Blumenwiese
und im Wald begann wieder das Singen, Lachen und Spielen.
Und
manchmal kannst du etwas, was die anderen nicht können,
dann ist es sehr gut,zusammenzuhalten und den anderen zu helfen.
Auch,
wenn es ein wenig Mühe macht.
©
99 P. Eitner
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