Abgeschickt von Keine Ahnung am 06 Oktober, 2002 um 12:32:26:
Antwort auf: Re: Drugs - Aus der Hölle eines Suchtkranken von Saron am 25 Februar, 2001 um 22:26:44:
aber nur in der Theorie. Denn fuer so einen Blutdruck braucht man
Aggressivitaet. Da mir diese aber fehlt, komme ich mir vor wie ein 200
PS-Motor ohne Treibstoff.
Hi Saron,
eigentlich gefaellt mir ja deine HP sehr gut. Die Aufmachung, deine
Absichten, usw.. Doch deine Antwort auf Schaggar laesst mich fast wuetend
werden. Warum? Vielleicht weil ich begeisterter Christ bin. Und als solcher
vertrage ich die folgenden Beurteilungen / Vorschlaege (=Schlaege?!)
nicht:
#Vertraue auf Gott, dann wirst du gesund. Was? Du bist noch nicht gesund?
Dann hast du Gott wohl noch nicht gefunden. Dann bemuehe dich und bete. Ich
werde heute Abend fuer dich beten, dass Gott mit all seiner Macht in dein
Leben treten wird.
#Du bist transsexuell? Das tut mir Leid, aber Gott kann dir helfen. Bete zu
ihm, bitte ihn, dir zu helfen. Wer bittet, dem wird gegeben. Gott liebt
dich, er weiss, was du brauchst. Du musst nur auf ihn zugehen.
#Du bist drogensuechtig, krank? Bete zu Gott, vertraue auf ihn, und er
wird dir einen Neuanfang ermoeglichen. Du musst nur fest daran glauben.
Lasse Gott in dein Leben und er wird es zu deinem Besten umgestalten.
#Du bist querschnittgelaehmt? Seit deiner Geburt? Du bist Christ? Und du
hast noch immer keine Kraft in deinen Beinen? Dann mach doch endlich dein
Herz ganz auf fuer unseren Vater im Himmel. Versteck dich nicht mehr; lass
ihn rein zu dir. Mach alle Tueren auf und sage, "Herr, mein Vater, komm zu
mir, gib mir die Kraft an dich zu glauben, auf dass ich mal auf eigenen
Fuessen stehen kann".
Als Jesus 40 Tage in der Wueste war, da antwortete er auf Satan auch mal
so: "Du sollst Gott, deinen Herrn nicht in Versuchung fuehren."
Komischerweise passiert es bei Koerperbehinderten weit weniger oft, dass
ein religioeser Fanatiker behauptet, durch beten wuerde die Behinderung
verschwinden. Bei psychischen bzw. geistigen Erkrankungen ist das geradezu
ueblich. Ich finde diese eingeschraenkte Denkweise einfach gedankenlos,
unueberlegt und verletzend.
Mich wundert es nicht, dass einige Transsexuelle sich vom christlichen
Glauben abgewandt haben, nachdem sie von allen Seiten ein Menge
GUTGEMEINTE religioese RatSCHLAEGE haben einstecken muessen. Diese
vermeintlichen "Hilfen" verjagen geradezu Kranke von Gott.
Und wenn fuer einen Kranken der letzte Ausweg der Suizid ist, bitte sehr.
Wenn Gott mitmacht und dies somit akzeptiert, dann sei es so. Auch in der
Bibel koennen wir vom Suizid lesen. Dabei denke ich jetzt gerade an Elija.
Er wollte in der Wueste sterben, doch Gott hatīs vereitelt. Auch OK.
Meine psychische Verfassung wird von der Gesellschaft auch als "Krankheit"
bezeichnet. Ich habe diese seit meiner Kindheit. Jahrelang habe ich mir
gedacht, warum ich? Warum? Warum kann ich nicht so sein wie die anderen.
Warum kann ich nicht "gesund" sein, frei sein? Inzwischen denke ich anders
darueber. Meine Erkrankung sehe ich als Chance, als einen Gewinn. Meine
Erkrankung, die zur Kontaktarmut, zu Verachtung und Ausgrenzung gefuehrt
hat, sie gab mir die Kraft oder vielmehr die Gelegenheit bzw. die Sehnsucht
nach Gott zu suchen und ihn als meinen eigentlichen, wirklichen Vater - der
mich nicht fuer meine Denkweise verachtet - zu sehen.
Mit dem Wissen, nicht in unsere Gesellschaft zu passen, weil ich einerseits
als gesund und andererseits als pervers von der Gesellschaft angesehen
werde/wuerde, wurde ich ueber die Jahre hinweg suizidal. In meiner Kindheit
und Jugendzeit lebte ich immer fuer die Zukunft. Doch muss ich nun
feststellen, dass ich als Kind immer nur von einer schoeneren Zeit
getraeumt habe, von einer Zeit, in der ich akzeptiert werden wuerde -
wenigstens von meinen Eltern. Seit ich aber nun erwachsen bin, muss ich
wahrnehmen, dass es fuer mich einfach keine lebenswerte Zukunft gibt.
Gesagt zu bekommen, ich haette Gott noch nicht gefunden, ich wuerde ihn
noch nicht richtig in mein Leben lassen - sonst waere ich schon laengst
gesund -, das sind Behauptungen sogenannter Christen, bei denen ich mich
frage, ob sie Gott in seiner ganzen Groesse eigentlich bereits
kennengelernt haben.
Nein, ich bin kein Borderliner, wie's Jinny ist oder war(?). Dennoch bin
auch ich suizidal. Und weisst du was? Ich bin suizidal UND bezeichne mich
als gesund! Oder besser gesagt, ich bin suizidal UND DESHALB bezeichne ich
mich als gesund. Denn wenn ich akzeptieren koennte, was hier auf dieser
Welt ablaeuft, wenn ich akzeptieren koennte, wie meine Umgebung mit
Menschen wie mir umgeht, dann muesste ich mich als psychisch bzw. moralisch
krank bezeichnen.
"Ich habe Heimweh!" Klingt dir das bekannt? Vielleicht aus der Geschichte
"der kleine Prinz"? Ja, ich habe Heimweh.
Wenn du ins Ausland in Urlaub faehrst, so ist es dort mal ganz schoen -
fuer zwei, drei Wochen, vielleicht fuer einen Monat. Aber auf Dauer in
einer Umgebung zu bleiben, die ganz einfach nicht deinem Naturell
entspricht, das waere wohl nicht das Wahre. Gehtīs doch schon Berlinern so,
dass sieīs nur ein paar Wochen in der Schweiz aushalten, und dann muessen
sie wieder raus, weil fuer sie die Berge rundherum einfach zu erdrueckend
sind. Oder denk an einen Tiroler an der Nordsee. Mal ganz toll! Aber
staendig dieser ewige Wind? Nein danke.
Sagte nicht mal Jesus so was wie, "mein Koenigreich ist nicht von dieser
Welt"? So ungefaehr koenntīs auch ich formulieren - ich bin bloss kein
Koenig: "Meine Heimat ist nicht diese Erde." Ich bin nur auf Besuch, auf
Urlaub hier. Mir gefaelltīs hier doch nicht so gut, wie ich es anfangs
aufgrund der Werbebroschuere vielleicht vermutete. Na ja, und jetzt suche
ich halt nach einer guenstigen Heimfahrgelegenheit.
Ihr meint, das ist zu verurteilen? Das glaube ich nicht. Wuerde Suizid
grundsaetzlich von Gott verurteilt werden, er haette mich schon laengst bei
meiner Liebe zur Bibel auf entsprechende Stellen stossen lassen. Ach ja,
und ausserdem, er haette dies sicherlich auch deutlich in dem Elija-Text
zum Ausdruck gebracht.
An eine Wetterbesserung hier in dieser Gegend glaube ich nicht mehr. Ja,
ich wollte bereits vor 20 Jahren eine Rueckfahrkarte buchen, doch teilte
man mir mit, dass ich mich (aufgrund des hohen Ansturms) wohl noch einige
Jahre wuerde gedulden muessen. Die Plaetze waeren bereits fuer die
naechsten Jahre alle belegt.
Nun ja, jetzt stehe ich erneut am Schalter. Die Zeiten haben sich
geaendert. Ich bin aelter geworden, und auf der Warteliste bin ich nun
eindeutig ein ganzes Stueck weiter oben. Vom Gefuehl her habe ich den
Eindruck, dass ich auf ein Ticket nicht mehr lange warten muss. Tolle
Sache.
Mein Lebtag lang habe ich gern flaniert, also Leute angesehen, beobachtet,
mir Gedanken ueber sie gemacht, und und und. Jetzt wo ich darauf warten
muss, dass mein Rueckreiseantrag wohlwollend bearbeitet wird, da finde ich
all die Urlauber hier noch viel interessanter zu beobachten.
Man moechte meinen, fast alle waeren hier geboren. Keinen ziehtīs nach
Hause. Alle fuehlen sich hier pudelwohl. Von daheim wird gar nicht
gesprochen - bestenfalls hinter vorgehaltener Hand. So nach dem Motto: "Du,
hast duīs gehoert? Gestern ist die Aufenthaltserlaubnis von dem und dem
abgelaufen. Eigentlich wollte er noch gar nicht heim, aber die
Ordnungshueter haben ihn einfach geholt. Du weisst schon, kleiner Schlag,
Trage und ab in die Maschine."
Nein wirklich, ich verstehe die Menschen hier nicht. Ich kann mit denen
auch nicht ueber unsere Heimat reden. Die wollen gar nichts davon hoeren.
Wenn ich in der Richtung den Mund aufmache, dann schauen die mich ganz
komisch an und bezeichnen mich als Spielverderber. Die wollen mit mir gar
nichts zu tun haben.
Ich verstehe nicht, warum ich vor vielen Jahren ueberhaupt von zu Hause weg
bin. Waren die Prospekte wirklich so verlockend? Na ja, jetzt bin ich
schlauer. Waere ich nicht fort gefahren, ich haette nie diese
Lebenserfahrungen machen koennen. Jetzt bin ich gescheiter, weiser, jetzt
habe ich ganz einfach mehr Ueberblick ueber das alles.
Mensch, wenn ich doch schon heim koennte. Ich kannīs schon gar nicht mehr
erwarten.
Ach ja, Saron, um nochmal auf deinen Beitrag zurueckzukommen, ich habe
genug gesehen. Ein Neuanfang interessiert mich nicht mehr. Ich habe das
Wetter hier lange genug aushalten muessen. Na ja, den anderen gefaelltīs;
ich kann nichts damit anfangen. Daheim ist es halt einfach doch am
schoensten. Du fragst dich, ob ich eine kleine Blume bei mir zu Hause habe,
die auf mich wartet? Tja, kann schon sein ;-)
Liebe Gruesse
Keine-Ahnung - na ja, vielleicht doch ein bisschen