Apostelgeschichte 1 – Zwischen Himmelfahrt und Auftrag


Texterläuterung

Die Apostelgeschichte beginnt mit einem Rückblick auf Jesu Leben und Wirken bis zur Himmelfahrt. Lukas, der Verfasser, richtet sich erneut an Theophilus und berichtet, wie Jesus den Jüngern nach seiner Auferstehung noch 40 Tage lang erschien und vom Reich Gottes sprach. Er befiehlt ihnen, in Jerusalem zu bleiben und auf die Verheißung des Vaters – den Heiligen Geist – zu warten.

Auf die Frage der Jünger nach der Wiederherstellung des Reiches für Israel antwortet Jesus: „Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen.“ Stattdessen beauftragt er sie: „Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem, Judäa, Samarien und bis an das Ende der Erde.“ Nach seiner Himmelfahrt erscheinen zwei Engel, die die Rückkehr Christi verheißen.

Die Jünger kehren nach Jerusalem zurück, versammeln sich im Obergemach zum Gebet und entscheiden schließlich, den durch Judas entstandenen leeren Platz im Apostelkollegium zu füllen. Nach dem Gebet fällt das Los auf Matthias. So wird symbolisch die Zwölfzahl wiederhergestellt – ein Zeichen für Kontinuität und neue Ordnung.

Theologische Interpretation

Dieses Kapitel ist eine Übergangsphase zwischen Evangelium und Kirchengeschichte. Jesus tritt physisch aus dem Geschehen, doch nicht aus der Geschichte. Seine Himmelfahrt ist nicht Abwesenheit, sondern Erhöhung. Die Jünger stehen nicht untätig da, sondern bereiten sich im Gebet auf die Verheißung des Geistes vor. Ihre Entscheidung, die Lücke durch Judas zu schließen, erfolgt nicht aus Machtdenken, sondern aus geistlichem Gehorsam – im Vertrauen auf Gottes Führung durch Schrift, Gebet und das Los. Besonders bedeutungsvoll ist der Missionsbefehl in Vers 8: Das Evangelium beginnt lokal, bleibt aber nicht dort. Weltweite Sendung ist Teil der kirchlichen Identität von Anfang an.

Leitthema aus heutiger Sicht: Geistliche Leitung nach Vertrauensbruch

Die frühe Kirche bleibt nicht in Schockstarre nach dem Verrat des Judas. Sie benennt die Schuld offen, sucht Orientierung in der Schrift und handelt aus dem Gebet heraus. Diese Haltung ist heute hochaktuell – etwa im Umgang mit Missbrauch in kirchlichen Strukturen.

Ein eindrucksvolles Beispiel ist die Arbeitsweise von International Justice Mission (IJM). Die Organisation kämpft weltweit gegen Sklaverei und Menschenhandel – aber auch intern achtet sie auf eine Kultur geistlicher Leitung, Rechenschaft und geistlich-moralischer Integrität. Führung wird dort als Dienst verstanden, nicht als Macht. So lebt IJM vor, was die Apostel in Jerusalem taten: Entscheidung aus Gebet und Verantwortung.

Zusammenfassung

Apostelgeschichte 1 steht für eine Kirche im Übergang: zwischen der leiblichen Gegenwart Christi und dem kommenden Geist. Zwischen Rückblick und Zukunft. Zwischen menschlichem Versagen und göttlicher Berufung. Es lehrt: Wer auf Gott wartet, betet. Wer Gott vertraut, handelt. Wer Zeugnis geben will, braucht keine Macht – nur den Mut zur Treue.