WEISST DU NICHT,
DASS DICH GOTTES GÜTE
ZUR UMKEHR LEITET?“
(RÖMER 2,4)

Wort der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung
in der evangelischen Kirche (GGE)
November 2020

 

 

 

DIE WELT IM KRISENMODUS

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts wird die Menschheit in kurzer Abfolge von immer neuen Krisen mit globaler Auswirkung erschüttert (politische Krisen, Finanzkrise, Energiekrise, Flüchtlingskrise, Klimakrise). Die jüngste Pandemie stellt mit ihren anhaltenden, weltweiten und umfassenden Auswirkungen auf alle Menschen und alle Systeme lediglich einen neuen Höhepunkt dar.

Weitere Krisen werden folgen. Unsere Welt befindet sich im Advent.

 

CORONA ALS SEUFZEN

 

Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt“ (Röm 8,22).



Wir erkennen in der gegenwärtigen Pandemie einen Ausdruck der durch menschliche Schuld gestörten, beschädigten und auf Erlösung wartenden Schöpfung.

 

CORONA ALS HEIMSUCHUNG

 

Wir warten auf dich, HERR, auch auf dem Weg deiner Gerichte… Denn wenn deine Gerichte über die Erde gehen, so lernen die Bewohner des Erdkreises Gerechtigkeit“ (Jes 26,6-9*).

 

Wir erkennen in der gegenwärtigen Pandemie und anderen Krisen eine gnädige Heimsuchung Gottes. Unter der äußeren Gestalt eines lebensfeindlichen Virus nehmen wir ein verborgenes Reden des liebenden Gottes wahr. Gott lässt eine Pandemie zu, um seine Menschheit zurück zur Ordnung und an sein Herz zu rufen. Eine Menschheit, die sich von ihm entfernt hat, die seine Gebote und Ordnungen missachtet und seine Schöpfung zerstört. Gottes fremdes Werk ist das Gericht, Gottes eigentliches Werk ist die Gnade. Gottes Gnade will uns aufrichten.

 

CORONA ALS ENTTÄUSCHUNG

Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott“ (Martin Luther).

 

Die gegenwärtigen Erschütterungen führen dazu, dass das Unerschütterliche zu Tage tritt. Krisen prüfen die Standfestigkeit unserer privaten und gesellschaftlichen Fundamente. Die Pandemie legt offen, was unsere Grundannahmen sind, worauf wir Wert legen und worauf wir unsere Hoffnung setzen. Sie offenbart, was im Leben letztlich trägt und was im Ernstfall keine Kraft hat – auch in der Kirche. Vitaler Glaube und gesunde Gemeinden durchstehen aufgrund ihrer Verwurzelung in Jesus Christus und gelebter Spiritualität auch kritische Zeiten. Sie gehen teilweise sogar gestärkt aus ihnen hervor. Hingegen können trügerische Götzen, vermeintliche Sicherheiten und menschliche Selbstüberschätzung die gegenwärtigen Herausforderungen nicht bestehen.

 

GÖTZE IRDISCHES LEBEN

Corona verdeutlicht, dass unsere Gesellschaft Themen wie Endlichkeit und Verwundbarkeit des Lebens sowie Krankheit, Leiden, Sterben und Tod verdrängt hat. Frühere Generationen hatten ein vergleichsweise kurzes Leben. Danach kam die Ewigkeit.

Heute haben wir ein vergleichsweise langes Leben. Danach kommt aus der Sicht viler Menschen nichts mehr. In der Folge muss der Mensch der Moderne das irdische Leben möglichst lange erhalten und so viel wie möglich in ihm unterbringen. Corona hat deutlich zu Tage treten lassen, dass wir uns unzureichend mit unserer eigenen Sterblichkeit auseinandersetzen.

 

GÖTZE GESUNDHEIT

Die Corona-Maßnahmen, insbesondere der ersten Monate, verdeutlichten, dass in unserer Gesellschaft Gesundheit vielfach auf „körperliche“ Gesundheit reduziert wird, häufig verbunden mit dem Ausspruch „Hauptsache gesund!“. In den ersten Monaten führte dies in paradoxer Weise ausgerechnet bei den Risikogruppen zu mehr Einsamkeit, Isolation und psychosozialen Schäden. Menschsein zeichnet sich jedoch aus als eine untrennbare Einheit von Leib, Seele und Geist.

 

GÖTZE KONTROLLE

Seit Jahrzehnten sind wir es gewohnt, vieles unter Kontrolle zu haben. Corona hat jedoch zu Kontrollverlust und in der Folge zu starken Ängsten geführt. Gewohnte Sicherheiten sind erschüttert worden und Planungen erheblich durcheinander gekommen.

Es ist gut, dass wir in vielen Bereichen hohe Sicherheitsstandards haben. Wer jedoch danach strebt, alles selbst unter Kontrolle haben zu wollen, braucht Gott nicht mehr. Dieses Lebensgefühl kannten frühere Generationen aufgrund vieler unkalkulierbarer Risiken nicht. Wir müssen neu lernen und dürfen ohne Angst annehmen, dass unsere Kontrollmöglichkeiten begrenzt sind. Wer Gott vertraut, ist unter allen Umständen geborgen – im Leben wie im Sterben. Wir sind bei Gott sicher inmitten einer unsicherer gewordenen Welt.

 

GÖTZE GESCHÄFTIGKEIT

Der in Varianten mehrfach verordnete gesellschaftliche und private Lockdown bewirkte ein radikales Ausbremsen des Lebenstempos vieler Menschen. Corona verursachte anfänglich eine mehrwöchige nationale Zwangspause. Ein ganzes Land wurde runtergefahren“. Seitdem kommt es in unserem Leben immer wieder zu privaten Quarantäne-Auszeiten. Corona überrascht uns mit einem unfreiwilligen Sabbat.

 

GÖTZE EGOISMUS

Corona hat deutlich gemacht, wie schwer es uns fällt, eine Zeit lang freiwillig um eines höheren Gutes willen und zum Wohl des Ganzen auf gewohnte persönliche Freiheiten zu verzichten.

 

CORONA ALS BEWÄHRUNGSPROBE

 

Wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,3-5).

 

Wir erkennen in der Pandemie einen Ruf Gottes in die Wüste und wollen uns ihm nicht entziehen. Wir wollen frühere Zeiten nicht zurückwünschen und auch nicht sofort über die Zeitnach Corona“ nachdenken oder sie herbeisehnen. Wir öffnen uns jetzt dem liebenden Ruf Gottes. Wir wollen empfangen, was Gott für uns bereithält. Er will uns in der Wüste begegnen.

 

Die gewohnten und geliebten Formen insbesondere charismatischer Frömmigkeit (längere Lobpreiszeiten, Segnung unter Handauflegung, Abendmahlsfeier, Tagungen, Seminare und Konferenzen sowie intensiv gelebte Gemeinschaft) werden durch die gegenwärtigen Hygieneverordnungen teilweise unmöglich gemacht. Es gilt, neben den wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen die gegenwärtige Gesamtsituation aus Gottes Hand anzunehmen, sie nicht allzu schnell überspringen zu wollen. Gott mutet uns allen, auch seinem Volk, gerade jetzt eine möglicherweise länger andauernde „Wüstenerfahrung“ zu.

 

Die Wüste ist in der Bibel ein exemplarischer Ort sowohl für Abgeschiedenheit, Anfechtung und Versuchung. Sie ist primär ein Ort der innigen Begegnung mit Gott. In der Wüste erfolgt die Reduktion auf das Wesentliche, die Reinigung von Schuld, die Erneuerung des Glaubens und der Liebe zu Gott. Die Wüste ist aber auch der Ort der Dämonen und Plagegeister.

 

CORONA  ALS CHANCE

 

Siehe, wenn ich den Himmel verschließe, dass es nicht regnet, oder die Heuschrecken das Land fressen oder eine Pest unter mein Volk kommen lasse und dann mein Volk, über das mein Name genannt ist, sich demütigt, dass sie beten und mein Angesicht suchen und sich von ihren bösen Wegen bekehren, so will ich vom Himmel her hören und ihre Sünde vergeben und ihr Land heilen“ (2 Chr 7,13-14).

 

Die gegenwärtige Pandemie kann sich von Fluch in Segen verwandeln, wenn wir uns vor Gott demütigen, von falschen Wegen umkehren und bereit sind, Wege zu beschreiten, die er uns weist.

 

DIE WIEDERENTDECKUNG GOTTES

Corona kann dazu führen, dass wir unser Geschaffen-sein auf Gott hin neu erkennen, ergreifen und leben. Das menschliche Geschöpf ist ohne Kontakt zu seinem Schöpfer bald erschöpft. Corona kann zu einer neuer Beachtung des ersten Gebotes führen:

Ich bin der Herr, dein Gott… du sollst keine anderen Götter haben!“ (5 Mos 5,6-7).

 

DIE WIEDERENTDECKUNG DES GEBETS

Als Reaktion auf die gegenwärtige Krise hat sich eine Reihe von kreativen geistlichen Formaten entwickelt. Entscheidend bleibt dabei unsere Aufgabe, in besonderer Weise für die Regierenden zu beten und einen Lebensstil der Versöhnung zu leben. Insbesondere empfinden wir einen starken Ruf zum gemeinsamen Gebet aller Christen. Aktionen wie „Deutschland betet gemeinsam“ oder „Gemeinsam vor Pfingsten“ haben einen enormen Schub für die Einheit des Leibes Christi in unserem Land bewirkt.

 

NEUE FORMATE DER VERKÜNDIGUNG UND DES GEMEINDELEBENS

Die erste Verfolgung der Urgemeinde (vgl. Apg 8,1) führte zu einer lokalen Entgrenzung des Evangeliums. Das offenkundig Böse hatte mittelbar ein starkes Wachstum der christlichen Gemeinde weit über Jerusalem hinaus zur Folge.

 

Mit Dankbarkeit nehmen wir wahr, dass viele Gemeinden durch die gegenwärtigen Corona-Beschränkungen dazu angeregt werden, innovative und kreative Formen der Verkündigung und des Gemeindelebens auszuprobieren. Die Corona-Pandemie führt auf diese Weise zu einer „digitalen Sturzgeburt“ sowie zu „Hybrid-Angeboten“ auch in der Kirche. Das ist gut so! Menschen, die bisher an keiner kirchlichen Veranstaltung teilgenommen haben, können auf diese Weise mit dem Evangelium erreicht werden. Gemeindeglieder, die aufgrund von Einschränkungen nicht analog zusammen treffen dürfen, können in Form von digitalen Treffen dennoch miteinander in Kontakt bleiben.


CORONA ALS GEFÄHRDUNG

 Ihr sollt nicht alles Verschwörung nennen, was dies Volk Verschwörung nennt, und vor dem, was sie fürchten, fürchtet euch nicht und lasst euch nicht grauen, sondern heiligt ihn, den HERRN Zebaoth; den lasst eure Furcht und euren Schrecken sein“ (Jes 8,12-13).

 Die Pandemie unserer Zeit und unser Umgang damit birgt aber auch zahlreiche Gefährdungen in sich, denen wir entschlossen im Geist der Wahrheit und der Liebe begegnen sollten.

 

GESETZLICHKEIT

So notwendig angemessene Hygieneregelungen und deren Einhaltung im Miteinander sind, so sehr stehen auch Leitungsgremien in der Kirche in der Gefahr, sich zu verzetteln in endlosen Diskussionen um die richtige Auslegung und Anwendung von Verordnungen. Wir verpassen darüber gerade als Kirche die eigentlichen geistlichen Herausforderungen der gegenwärtigen Pandemie. Es besteht die Gefahr, dass wir – ähnlich den Pharisäern, die im Dauerkonflikt mit Jesus standen –, auch heute in Satzungsdiskussionen verwickelt werden, anstatt das wirklich Wichtige zu beachten.

 

ENTZWEIUNG

Gemeinden und christliche Gruppen stehen in Gefahr, sich im Blick auf die Deutung der Pandemie und dem angemessenen Umgang mit Corona zu zerstreiten. Extreme Ängste und extreme Verleugnung treten zuweilen totalitär und unversöhnlich auf und führen zu Spaltungen. Wir wollen als GGE dazu beitragen, dass in unserem Land und in unserer Kirche trotz unterschiedlicher Auffassungen und Einschätzungen eine Kultur des Miteinanders und der Versöhnung gelebt wird. Dabei vertrauen wir auf den Heiligen Geist als die Quelle der Liebe und der Wahrheit.

 

AKTIONISMUS

Wir stehen in Gefahr, die teure Gnade des überraschenden Sabbats zu verpassen durch fortgesetzten innerkirchlichen Aktionismus. Innovative und kreative Formen des Gemeindelebens und der Kommunikation in der Krise sind notwendig und bleiben es auch nach der Krise. Sie dürfen jedoch nicht zu einem fortgeführten kirchlichen Aktionismus führen, der sich durch Corona von der analogen lediglich auf die digitale Ebene verlagert.

 

VEREINZELUNG UND BLASENBILDUNG UNTER GLAUBENDEN

Aufgrund von Kontaktbeschränkungen und demzufolge zahlreichen digitalen geistlichen Angeboten besteht die Gefahr, dass Christen ihren Glauben noch mehr ins Private verlegen, noch mehr Konsumverhalten in der je eigenen Komfortzone praktizieren und nach der Pandemie nicht mehr den Weg zurück in die Gemeinde finden. Es besteht überdies die Gefahr, dass sich noch mehr Christen als bisher schon in jeweils eigenen digitalen Frömmigkeitsblasen zusammenfinden, sich gegenseitig bestätigen und dadurch zunehmend gemeinschaftsunfähiger werden. Sie verlieren die Anschlussfähigkeit an real existierende Ortsgemeinden mit all ihren Stärken und Schwächen und vermeiden die damit verbunden notwendigen Korrekturen der eigenen Frömmigkeit.

 

VERSTOCKUNG

Plagen, Nöte, Krisen und Katastrophen bewirken nicht automatisch, dass der Mensch von falschen Wegen umkehrt und neu auf Gott hört. Not lehrt nicht nur beten, sie kann zuweilen auch Verhärtung und Verstockung auslösen. In der Bibel gibt es eine Fülle von Hinweisen auf diese menschliche Tragik (von den Zeitgenossen Noahs bis zum Pharao, vom alttestamentlichen Volk Israel über die Zeitgenossen Jesu bis hin zum letzten Buch der Bibel). Menschen finden durch Widrigkeiten nicht automatisch zur Buße sondern neigen primär dazu, trotz allem so weiter zu leben wie bisher, nur dass es noch mühsamer und noch anstrengender wird.

 

CORONA ALS RUF ZUM GEBET

 

Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin! Ich will mich erheben unter den Völkern, ich will mich erheben auf Erden.“ (Ps 46,11).

 

Wir erkennen in der gegenwärtigen Pandemie einen Ruf, dass sich das ganze Volk Gottes zu anhaltendem und gemeinsamem Gebet sammelt.

 

Gemeinsam

 

•         demütigen wir uns unter die Hand des heiligen und liebenden Gottes

•         ehren wir den Dreieinigen Gott in guten wie in schlechten Zeiten

•         danken wir für ein hohes Maß an medizinischer und ökonomischer Versorgung

•         beten wir für die Regierenden und alle verantwortlichen Akteure in der gegenwär- tigen Krise

•         beten wir für Erkrankte, Betroffene und wirtschaftlich in Not Geratene

•         beten wir für den Frieden und Zusammenhalt in unserem Land

•         beten wir um das Wunder der Buße, Erneuerung und Erweckung unter uns allen

•         beten wir, dass Gott diese Plage von uns nimmt und unser Land heilt

 

 

O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort!“ (Jer 22,29)

 

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