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Der Junge wollte nicht Schuld sein am Unglück seiner oder irgendeiner Gemeinde. Folgerichtig nahm er sich vor, später nie einer Gemeinde anzugehören, da nur so verhindert werden könne, dass er als Schuldiger die Gemeinschaft schädige. Das schien ihm die einzig machbare Lösung, denn "Bastard" zu sein, ist ja eine Dauerschuld; Vergebung hin, Vergebung her, man bleibt zeitlebens ein "Bastard". Und es gab viele Möglichkeiten für ein Kind fundamentalistischer Eltern im Leben vor Gott schuldig zu werden. In der Familie des Jungen war es zum Beispiel nach Jak 4:4(1) oder 2.Kor. 6:14(2) nicht erwünscht, weltliche (d.h. ungläubige, nicht fromme) Freunde zu haben. Da es in der Kirchengemeinde kaum Gleichaltrige gab. lernte er, ganz ohne Freunde zu leben. Eine andere Möglichkeit, die die Eltern geduldet hätten, gab es nicht. Auch fand sich bei ihm zu Hause nichts, was eventuell die "Welt" ins Haus bringen konnte, kein Fernsehgerät, keine Theaterbesuche, sehr selten ging man ins Kino (Römer 12:2)(3) etc. Romane oder manch andere Bücher zu lesen, war ebenfalls verpönt, damit man nicht durch falsches Gedankengut, schlechte Ansichten oder Lebensweisen beeinflusst wurde.(Pred. 12:12)(4). In der Gemeinde hinterfragte man auch, ob der Knabe überhaupt zum Gymnasium gehen oder studieren dürfe. Das sei doch nicht biblisch nach Kolosser 2:8(5) und hat nicht Paulus die ganze weltliche Bildung für Kot erachtet? Jegliche Form sexuellen Handelns oder nur Denkens außerhalb der Ehe sei Gott zutiefst zuwider, erklärte man ihm in Gemeinde, auf Freizeiten und im Elternhaus. Ja, sogar "Gedankensünden" seien vor Gott ein schweres Vergehen. Hat nicht Jesus in Matth. 15:19 gesagt "Aus dem Herzen kommen böse Gedanken, die dann zu Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, Lüge und Verleumdung führen"? Und lehrte Jesus nicht: "Wer eine Frau mit begehrlichen Blicken ansieht, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen"? (Matth. 5:28).Immer wieder, Sonntag für Sonntag wurden diese fundamentalistischen Gedanken von der Kanzel her beschworen und verfestigten sich tief in der Seele des Heranwachsenden. Sagt mir Freunde, wie soll ein Junge da durch die Pubertät kommen, erwachsen und verantwortungsbewusst werden? Alles stand ja bereits fertig in der Bibel, man konnte und durfte sich nur für sie entscheiden. So gerne wollte er Gott nachfolgen, aber das war so unendlich schwer. Jeder Witz, jede Albernheit führte nach fundamentalistischer Lehre dazu, dass man nicht ins Himmelreich kam, das konnte man alles schwarz auf weiß in der Bibel nachlesen. (Eph. 5:1-5)(6) Und so bewunderte der Knabe diejenigen Ältesten und Pastoren, die all dies von Kanzeln lehrten, ging er doch davon aus, sie würden natürlich selbst alle diese Gebote rein und vorbildlich leben, beherzigen und ohne Tadel nach ihnen leben. In seiner jugendlichen Naivität konnte er es nicht glauben, dass jemand auf eine Kanzel steigt und etwas lehrt, was er selbst nicht hält. (7)
Der Junge merkte schnell, er schaffte es nicht, diesen hohen Ansprüchen Gottes zu genügen, obwohl er sie für gerechtfertigt ansah und nicht an ihnen zweifelte, schließlich kann ein Gott Regeln und Gebote aufstellen, wie er es für richtig hält. Auch gab es für ihn keinen Rückzugsort, an dem er sicher war vor dem Beurteiltwerden, denn Gott ist ja überall, sieht alles und schreibt es in sein großes Buch, wie es ihm immer wieder gepredigt wurde (Psalm 139:1)(8) und (1. Joh. 3:10)(9).
























(1) Jak 4:4 Wer nun ein Freund der Welt sein will, erweist sich als Feind Gottes.

(2) 2.Kor. 6:14 Zieht nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen. Denn was hat die Gerechtigkeit zu schaffen mit der Ungerechtigkeit? Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis?

(3) Röm 12:2a Und stellt euch nicht dieser Welt gleich...

(4) Pred. 12:12 Und über dem allen, mein Sohn, lass dich warnen; denn des vielen Büchermachens ist kein Ende, und viel Studieren macht den Leib müde.

(5 ) Kol 2:8 Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus.

(6) Eph 5:1-5 Seid nun Nachahmer Gottes als geliebte Kinder! Und wandelt in Liebe, wie auch der Christus uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat als Opfergabe und Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch! Unzucht aber und alle Unreinheit oder Habsucht sollen nicht einmal unter euch genannt werden, wie es Heiligen geziemt; auch Unanständigkeit und albernes Geschwätz und Witzelei, die sich nicht geziemen, stattdessen aber Danksagung. Denn dies sollt ihr wissen und erkennen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger – er ist ein Götzendiener – ein Erbteil hat in dem Reich Christi und Gottes.

(7) Es wurde zwar gesagt, der Heiliges Geist oder Jesus würde einem bei der richtigen Lebensweise helfen. Aber was macht man, wenn man zu diesem Zeitpunkt nichts von dieser Hilfe spürt?

(8) Psalm 139 "Ein Psalm Davids, vorzusingen." HERR, du erforschst mich und kennst mich. Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne. Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege. Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, HERR, nicht schon wüsstest. Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht?

(9) 1. Joh. 3:10 "Daran wird of
fenbar, welche die Kinder Gottes und welche die Kinder des Teufels sind: Wer nicht recht tut, der ist nicht von Gott, und wer nicht seinen Bruder lieb hat." und "I
ch sah die Toten, beide, groß und klein, stehen vor Gott, und Bücher wurden aufgetan. Und ein anderes Buch ward aufgetan, welches ist das Buch des Lebens. Und die Toten wurden gerichtet nach der Schrift in den Büchern, nach ihren Werken." heißt es im Buch der Offenbarung 20:12

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