Nur
die Schnitter, die frühmorgens draußen in der
reifen Gerste arbeiten, hören ein Lied, das glockenhell
vom Fluss herüberklingt, der sich zum vieltürmigen
Camelot herunter- windet. Und wenn der Mond schon am Himmel
steht, flüstert der müde Schnitter, der die Garben
im luftigen Hochland bündelt: Das ist die Fee, die
Lady von Shalott
.....
Dort
webt sie Tag und Nacht ein magisches Tuch in leuchtenden
Farben. Denn sie hat eine Stimme flüstern hören,
dass Unheil über sie kommen wird, wenn sie ihre Arbeit
unterbricht, um auf Camelot hinunterzusehen. Und da sie die
Art des Unheils nicht kennt, webt sie unaufhörlich, da
sie kaum eine andere Wahl hat: die Lady von Shalott
Und
in dem magischen Spiegel, der all die Jahre vor ihr hängt,
erscheinen die Schatten der Welt: sie sieht die Straße,
die sich nach Camelot hinunterwindet, ganz nah ..... und
manchmal reiten durch den blauen Spiegel paarweise die
Ritter, aber sie hat keinen treuen Ritter, der zu ihr hält,
die Lady von Shalott
|
|
Trotzdem
bereitet es ihr immer noch Freude, die magischen Erscheinungen
des Spiegels in ihr Tuch einzuweben. Gar oft bewegte sich
durch die stillen Nächte ein Trauerzug, geschmückt
mit Federn und Lichtern inmitten von Musik nach Camelot. Oder
als der Mond am höchsten stand kamen zwei spät
verheiratete junge Liebende. „Ich bin halb krank von
den Schattenbildern“, sagt die Lady von Shalott
|
Nur
einen Bogenschuß von ihrer Kemenate entfernt ritt zwischen
den aufgestellten Gerstegarben mit von der durch die Blätter
fallenden Sonnenstrahlen leuchtenden Beinschienen Sir
Lanzelot. In seinem Schild, der im gelben Felde blitzte, kniete
ein Ritter vor einer Dame, nicht weit entfernt vom Shalott
|
......
Seine
breiten Augenbrauen leuchteten in der Glut der Sonne, auf
glühenden Hufen flog sein Streitross dahin. Unter seinem
Helm wallten pechschwarze Locken hervor auf seinem Ritt nach
Camelot. Vom Flussufer her erschien er in dem Spiegel „Tirra,
lirra!“ sang Sir Lancelot
Sie
aber verließ ihren Webstuhl, verließ ihr Tuch und
machte nur drei Schritte durch den Raum. Sie sah die
Wasserlilien blühen, sie sah den Helm und Federschmuck,
und schaute hinunter nach Camelot. Das Tuch flog hinaus und
trieb auf dem Wasser. Der Spiegel zerbrach. „Das Unheil
ist über mich gekommen!“ rief die Lady von Shalott
Die
fahlen Wälder ächzten im Nordoststurm. Der
Fluss stöhnte in seinem Bett, der tiefhängende
Himmel regnete sich über dem vieltürmigen Camelot
aus. Sie aber ging nach unten, fand ein Boot unter der Weide
im Wasser liegen und schrieb an seinen Bug: die Lady von
Shalott
Mit
gläsernem Angesicht blickte sie den trüben,
nebligen Fluß entlang nach Camelot, wie jemand, der in
Trance sein eigenes Unglück erkennt. Aber als der Tag
sich neigte, löste sie die Bootskette und legte sich
nieder und der breite Strom trug sie sehr weit fort, die
Lady von Shalott
Ganz
und gar in ein weißes, wehendes Gewand gehüllt lag
sie in ihrem Boot, das sie durch das Wispern der anbrechenden
Nacht nach Camelot trug. Und über die Weiden und Felder
an den Ufern hörte man sie ihr letztes Lied singen, die
Lady von Shalott
|
|
Aber
sie hörte einen heiligen, traurigen Lobgesang bald
laut, bald leise vorgetragen, bis ihr Blut allmählich erstarrte
und ihr Augenlicht dunkler und dunkler wurde gerichtet auf
das vieltürmige Camelot. Sie starb noch ehe sie auf
einer Welle das erste Haus am Ufer erreichte mit ihrem Gesang
auf den Lippen, die Lady von Shalott
|
Unter
Türmen und Balkonen, an Gartenmauern und Säulenhallen
vorbei, glitt sie als leuchtend schimmernde totenblaße
Gestalt durch Camelot. Hinaus zum Hafendamm liefen die
Ritter, Bürger, die Herren und Damen, und am Bug lasen
sie ihren Namen: die Lady von Shalott
|
„Wer
ist das und was ist hier los?“ Und im hell
erleuchteten Palast verstummte der königliche Trubel und
die Ritter von Camelot bekreuzigten sich vor Furcht. Aber
Lancelot überlegte eine Weile und sagte dann: „Sie
hat ein hübsches Gesicht. Möge Gott in seiner
Barmherzigkeit ihr seine Gnade verleihen, der Lady von
Shalott
|
|
Klicke
zum Vergrößern auf die Bilder!
|