Die Glasfeen

Immer wenn der Frühling aufs Neue in den Wald einkehrte, machten sich die Feen und Trolle auf, den Staub und den Geruch des Winters aus ihren Höhlen zu vertreiben. So schleppten sie ihre aus Feenhaar gewebten Vorhänge, die Moosteppiche und all ihre Kleider zum Lachsbach, der den Wald von den Wohnungen der Menschen trennt, um sie zu waschen, zu trocknen und von fröhlichen Zurufen begleitet, wieder in ihre Behausungen zu tragen. Dabei half man einander so gut es eben ging, denn zwei schaffen eine schwere Arbeit viel schneller als einer und es macht auch mehr Spaß, weil man sich zu zweit lustige Geschichten erzählen kann.
Nur die Glasfeen beteiligten sich nicht am Frühjahrsputz, haben sie doch immer saubere Wohnungen, denn sie putzen, bürsten und polieren ihre zerbrechlichen Behausungen jeden Tag. So streiften sie ein wenig gelangweilt durch den Wald, obwohl sie eigentlich auch gerne am Bach gewesen wären, wo all die anderen so lustig beisammen waren. Aber man kann doch nicht zuschauen, wenn andere arbeiten, dachten sie, und mithelfen konnten sie ja auch nicht viel. Denn sie waren zwar ein wenig größer als die meisten der anderen Feen, aber so zerbrechlich, dass ihnen die Trolle oft helfen mussten, wollten sie einmal einen Teppich woanders hinlegen oder ein Möbelstück umstellen.
Gerade als einige von ihnen am großen Moosbaum vorbeiflogen, hörten sie ein verhaltenes Schluchzen. Sofort hielten sie inne und lauschten, woher das merkwürdige Geräusch kam; da sahen sie gleich neben dem alten Baumstamm den Hamster sitzen.

Tränen liefen aus seinen Augen und weil Feen eine große Achtung vor Tränen haben, fragten sie den Armen, was er denn habe. „Ich“, stotterte der Überraschte, „ich bin so traurig, es ist doch alles so sinnlos!“ Dabei machte er ein gar so jämmerliches Gesicht, dass die Kleinste der Glasfeen fast mitgeweint hätte.„Aber warum macht denn alles keinen Sinn,“ riefen die Glasfeen wie im Chor, „Das Leben ist doch schön, Herr Hamster!“ Missmutig schüttelte der Hamster den Kopf. „Ich würde so gerne neue Vorräte sammeln“, stöhnte er, „aber meine Kammern sind noch alle voll vom letzten Jahr, wo soll ich denn hin mit all den Sachen?“ Bei den Hamstern ist es nämlich wie bei vielen Menschen, sie merken gar nicht, wie gut sie es eigentlich haben und jammern immer viel herum.

Sofort beratschlagten die Feen, wie man dem armen Hamster helfen könne, denn wenn jemand in Not geraten ist, muss man ihm beistehen, wer es auch ist und was er auch getan haben mag. Die Glasfeen wussten aber sehr wohl, dass Hamster oft Feenhaar für ihre Kopfkissen nehmen und Feen, besonders Haselfeen, für unnütze und faule Geschöpfe halten.

So beschlossen sie, ihm etwas vorzutanzen. Sie schlugen den Takt mit den Händen und tanzten den schönsten Reigen, denn sie kannten. Aber schon nach kurzer Weile hob der Hamster missmutig den Kopf und rief: „Was hüpft ihr da herum, ihr durchsichtigen Geschöpfe? Hört auf, ihr macht mich ganz krank!“ Betroffen hielten die Feen inne. Aber da man niemals aufhören sollte, zu versuchen, den Traurigen zum Lachen zu bringen, nahm eine Glasfee eine Harfe und gleich begannen die Feen, ein uraltes Feenlied zu singen:


Na Laethe Bhi
Do chomhrá s’ do chairdeas
Ba mhian liom I gconaí
‘s oró grá mo chroí
Scéalta is amhrãin
Go haosta le sléibhte
Cruaidh ‘s cróga le haois (*)

Sie sangen sehr schön mit ihren gläsernen Stimmchen und besonders die Kleinste der Feen gab sich große Mühe, denn der traurige Hamster tat ihr leid.

„Hört auf, hört auf mit eurem Gejammer, das ist ja nicht zum Aushalten!“ rief der Hamster. Erschrocken verstummten die Feen und sahen sich hilflos an.

Ich glaube, ich weiß etwas, das dem Hamster gefallen wird!“ rief die Kleinste der Glasfeen. „Etwas Leckeres zum Trinken wird ihn aufmuntern!“ und schon flog sie los, um schnell ein paar Gläser zu holen. Aber was sollten sie zu trinken hineintun? Eine gute Idee ist schnell geboren, aber sie zu verwirklichen ist oft schwer. Und fast wäre es auch unseren Feen so gegangen, wäre da nicht eine kleine Brombeerfee vorbeigeflogen und hätte etwas von dem leckeren dunklen Brombeersaft geholt, den diese Feen so gerne trinken. So goss man ihn in das Glas und neugierig nahm der Hamster einen großen Schluck.
„Bah, igittigitt, was gebt ihr mir für ein saures Zeug? Nehmt es fort, ich will nichts davon!“ schimpfte er, den offenbar gar nichts zufriedenstellen konnte. Weil aber ihre Liebe so schlecht vergolten und sie so böse angeherrscht wurde, begann die Kleinste der Glasfeen zu weinen und alle anderen Feen weinten mit ihr. Ihre Tränen fielen in das Glas mit dem Brombeersaft.

Doch was war das? Die Tränen vermischten sich nicht mit dem dunklen Saft, sondern schwammen wie rote und goldene und blaue Perlen darin herum. Das war sehr hübsch und lustig anzusehen und der Hamster staunte. Sie tranken das dunkle Getränk mit den bunten Perlen der Liebe und mussten alle lachen und ihr Lachen steckte sogar den griesgrämigen Hamster an und er begann mit ihnen einen Reigen zu tanzen und zu singen:“Na Laethe Bhi.....Rún mó mhíle stór !“
Was heißt: „Rún mó mhíle stór“ ,fragte die Kleinste der Glasfeen den Hamster, denn sie kannte sich in den alten Sprachen nicht sehr gut aus.

Meine liebste Liebeerwiderte der Hamster nachdenklich und lächelte die Kleine Glasfee an.
Ich habe dich auch ein wenig lieb!“ flüsterte die Kleine und strahlte, war es ihnen doch noch gelungen, den Hamster von seinem Selbstmitleid zu befreien. „Entschuldigt, ihr Feen“ ,sagte er, “ich werde meine Kammern ausräumen und all die Nüsse und Körner zum Fest mitbringen!“ Und er verschwand zwischen den dichten grünen Zweigen der Hagebutten.

Als Elfenkind am nächsten Morgen zum Moosbaum kam, fand sie ein leeres Glas am Boden liegen. Und auf dem Grund des Glases die angetrockneten Reste des Brombeersaftes und der Tränen.

Und weil sie weiß, dass man die Liebe nicht
mit noch so viel Wasser abwaschen kann,
stellte sie das Glas ins Fenster ihres Hauses.

Und die Farben funkelten in der Sonne.



Übersetzung (Irish Gaelic - Irisches Gälisch)

(*) My dearest love.

The Days That Were
Your protection and your friendship
Were always desired,
and my heart's great love
Stories and songs
Old as the mountains
Strong and brave with age.

Meine teuerste Liebe

Vergangene Tage
Dein Schutz und Deine Freundschaft waren immer erwünscht genau wie die großen Liebesgeschichten meines Herzens und die Lieder, alt wie die Berge,
stark und tapfer an Jahren.