- Die
Haselfeen
-
Eine
Geschichte von saron
-
Die
Haselfeen leben am Rande des Waldes. Dort, wo der schmale
Feldweg an den Bäumen entlangführt, steht ein Gebüsch
aus schönen, hohen Haselnusssträuchern. Und wer es
gelernt hat, mit den Augen des Herzens zu sehen, entdeckt dort
viele kleine leichte Wesen: Brombeerfeen, Holunderfeen und
manchmal sogar eine winzige Kornblumenfee.
-
Aber
ganz unten in den Büschen wohnen die Haselfeen mit ihren
zerbrechlichen, durchsichtigen Flügelchen und den
goldglänzenden Kleidchen. Sie spielen „Feefangen“
und „Elfentanz“, aber am allerliebsten werfen sie
sich kleine Haselnüsse wie Bälle zu. Wenn es Mittag
wird, treffen sich alle unter dem Großbusch, erzählen,
was sie erlebt haben und essen ihre einzige Lieblingsspeise:
unter einem Stein zu Staub gemahlene Haselnüsse.
-
Eines
Tages nun, es war ein besonders warmer Sommer gewesen, kam die
kleine Haselfee ganz außer Atem beim Großbusch an.
Sie war mit einem Zitronenfalter um die Wette geflogen und hatte
jetzt großen Hunger. Aber was war das? Alle Tellerchen
waren leer und am Ende des Tisches saß die älteste
der Haselfeen, die ziemlich klug war, machte ein bedenkliches
Gesicht und sagte: „Der Sommer war zu heiß, kleine
Fee. Wir haben keine Vorräte mehr; es ist schon alles
aufgegessen. Es werden schlimme Tage kommen, wenn wir nicht bald
ein paar Haselnüsse finden werden.“ Haselfee wusste,
dass Feen zwar sehr wenig essen, aber wenn sie nicht einmal das
bekommen, werden sie schnell schwach und krank.
-
So
lief sie, so schnell sie konnte, zur Nachbarin, der Brombeerfee.
Aber die hatte keine Nüsse , nur Brombeeren, und bedauerte
sehr, nicht helfen zu können. Auch die freundliche
Kornblumenfee war sehr traurig, als sie feststellen musste, dass
Haselfeen leider keine Körner vertragen, seien sie auch
noch so fein gemahlen. Jeder braucht eben genau das, was ihm
bestimmt ist, um leben zu können.
-
So
zog Haselfee traurig weiter. Nicht eine einzige vertrocknete
Nuss war zu finden. Sie dachte an ihre kleinen Schwestern, die
sicher schon so schwach waren, dass sie kaum noch fliegen
konnten. Haselfee setzte sich in den Schatten eines
Holunderbusches und eine kleine, glänzende Träne rann
über ihre Wange.
-
„Was
machst du denn da?“ fragte eine helle Stimme hinter ihr.
Haselfee drehte sich erschrocken um und musste lachen, als sie
sah, dass es Elfenkind war. Elfenkind kannten alle im Wald. Sie
war zu jedermann freundlich und wusste oft Rat. „Ich weiß
nicht, wo ich Nüsse finden kann, und wir brauchen ganz
dringend welche“, seufzte sie. „Dann geh doch zu den
Mäusen oder zum Hamster! Und vergiss nicht: Wer liebt und
gibt, bekommt.“ermunterte sie Elfenkind und war schon
verschwunden, ehe noch Haselfee sich bei ihr bedanken oder nach
dem seltsamen Sprüchlein fragen konnte.So machte sie sich
auf den Weg und klopfte bald darauf bei Herrn Maus an die Tür.
„Ich soll dir Nüsse geben?“ Herr Maus lachte
verächtlich. „Euch faulen Feen? Spielt den ganzen Tag
nur herum, während unsereins ständig arbeitet, um sich
ein paar Vorräte zu schaffen!“ rief er unfreundlich
und schlug Haselfee die Tür vor der Nase zu.
-
-
Das
war nicht nett, aber wenn es ans Abgeben geht, haben die meisten
faule Ausreden. So blieb nur noch Herr Hamster, ein mürrischer
alter Geselle, der jetzt bestimmt schon Winterschlaf machte.
Haselfee fürchtete sich, ihn zu wecken, aber da sie keine
Wahl hatte, ging sie zu seiner Höhle und klopfte dreimal.
Es rührte sich nichts. Sie klopfte wiederum dreimal so laut
sie nur konnte, und da hörte sie, wie er mit schlurfenden
Schritten zur Tür kam und diese einen Spalt breit öffnete.
„Was willst du?“ knurrte er. „Ich, ich wollte
Sie fragen.... ob Sie vielleicht netterweise ein paar
Haselnüsse??“- „Was?“ rief er, „
Dafür weckst du mich? Um mich anzubetteln? Ich habe rein
gar nichts zu verschenken!“ - „Bitte, lieber
Hamster, bitte, nur 10 bis 20 Nüsse, wir müssen sonst
sterben!“ Herr Hamster schien plötzlich interessiert
zu sein. „Was gibst du mir denn dafür?“ fragte
er listig, denn er merkte, dass Haselfee in einer Notlage war,
und einige machen daraus gerne ein Geschäft.
-
„Ich
habe doch nichts, was ich dir geben könnte“,
antwortete sie. „Wir Feen besitzen nicht viel!“ Der
Hamster legte seinen Kopf schief, wie immer, wenn er nachdenken
musste. „Doch“, sagte er, „ich will mir ein
neues Kissen machen, da kann ich dein Haar gut gebrauchen!“
Oh nein, dachte Haselfee, mein Haar, mein rotes, reiches
Feenhaar, dessen eine Hälfte sie jeden Morgen zu Zöpfen
flocht? Wie sah sie dann aus? Alle würden sie auslachen,
keiner würde sie noch schön finden. Dann aber dachte
sie an ihre Schwestern und all die anderen Haselfeen und sagte
schweren Herzens mit leiser Stimme: “Gut, wenn es dann
sein muss.“ Sie nahm die Schere des Hamsters und schnitt
und schnitt und bekam dafür 20 schöne Nüsse.
-
-
Die
waren schwer für eine kleine Fee, aber schlimmer war noch,
dass sie nichts fand, was sie sich um den Kopf binden konnte,
damit man ihr Gesicht mit den kurzen Haaren nicht sehen konnte.
Hoffentlich würde sie niemanden treffen, so wie sie jetzt
aussah! Nicht einmal einen Spiegel hatte sie, um sich an den
Anblick zu gewöhnen.
-
Einmal
schien es, als würde Elfenkind ihr zwischen den Bäumen
hindurch zuwinken, um ihr Mut zu machen.Was würden nur ihre
Schwestern sagen? Sie würde gewiss nicht spielen gehen in
den nächsten Tagen, denn alle würden sie bestimmt
auslachen. Endlich kam sie unter dem Großbusch an.
-
Wie
verwundert war sie, als niemand etwas über ihr Aussehen
sagte. Warum entsetzte sich niemand über ihre Haare? Alle
fragten sie nur, wo sie gewesen wäre, und sie erzählte
die ganze Geschichte. Nur die Haare erwähnte sie nicht.
Jeder freute sich, dass Haselfee zurückgekommen war, und
eine halbe Nuss wurde sogleich zermahlen, damit alle wieder zu
Kräften kamen. „Warum hast du nur mit den geizigen
Mäusen gesprochen und dich von diesem gemeinen Hamster
beschimpfen lassen?“ fragten ihre Feenschwestern.
-
„Weil
ich euch liebhabe“ , sagte Haselfee und lief so schnell
sie konnte zum Bach und sah hinein.
-
Aber
was war das? Ihre Haare waren noch schöner und länger
als zuvor und leuchteten in der Abendsonne. Was hatte Elfenkind
gesagt?
-
Wer
liebt und gibt, bekommt?
-
Haselfee
sah sich um.
-
Da
bemerkte sie, dass an der Biegung des Baches jemand stand.
-
-
Und
Elfenkind lächelte.
-
Für
Amelie Grete
©
1999 P.Eitner
|