Abgeschickt von ?Hansi? am 20 Oktober, 2002 um 23:57:32:
Hi,
kuerzlich las ich auf einer Einladungskarte zu einer Hochzeit den folgenden
Text von Antoine de Saint Exupery:
Liebe bedeutet nicht,
sich staendig einander
anzusehen, sondern
gemeinsam in die gleiche
Richtung zu blicken.
So viel ich von Antoine auch halte. Sein Buch "der kleine Prinz" liebe ich
geradezu! Doch seine obige Definition f. Liebe, mir gefaellt sie nicht.
Antoine dachte beim Schreiben dieser Def. sicherlich nicht an die Liebe mit
der Zusatzbezeichnung "Sex". Auch meinte er wohl nicht die Naechstenliebe.
Er redete ganz gewiss von Partnerschaftsliebe. Nur, muss man da wirklich
bei allem in die "gleiche Richtung" blicken?
Da jeder Mensch doch ein bisschen anders ist, beinhaltet obige Def. nicht
dann automatisch das "Recht", den anderen so hinzubiegen, wie man ihn haben
will? Bzw., heisst das nicht Selbstverleugnung (aus Liebe)? Die eigenen
Neigungen, Wuensche und Traeume dauerhaft verleugnen, um dem anderen zu
gefallen?
So etwas, das passiert doch hoechstens am Anfang einer Beziehung und kann
auf Dauer nicht gut gehen. Derjenige, der sich dauernd selbst verleugnet -
und wenn´s auch nur aus "Liebe" zum anderen ist -, der wird mit der Zeit
entweder depressiv oder aggressiv oder beides. Er funktioniert ja nur noch
(auf Knopfdruck). Eine solche Beziehung - von Liebe will ich da mal gar
nicht reden, eher von emotionaler Abhaengigkeit - ist dem Tode geweiht.
Jetzt meinen vielleicht manche von euch, dass dieses "sich zurueckstellen"
von beiden Seiten geschehen muss. Und wie stellt ihr euch das vor? Per
Vereinbarung, die eine Woche der, die andere der? Oder jeder ein bisschen?
Was ist denn so schlimm daran, wenn ein Paar zwei Zahnpastatuben hat, weil
es sich bezueglich Geschmack und Tubendruecktechnik nicht einig werden
kann?
Also, ich wuerd´ mal sagen, Antoines Text gehoert ein wenig umgeschrieben:
Verknallt sein, das bedeutet,
sich einander staendig anzusehen
und zugleich gemeinsam in eine
Richtung zu blicken.
Ach ja, meine sicherlich in den Augen mancher (ebenfalls) hinkende
Definition fuer Liebe lautet so:
(Partnerschaftliche) Liebe bedeutet,
immer und immer wieder auf
den anderen zuzugehen, ihn so
zu akzeptieren wie er ist,
auch wenn man sein Verhalten
manchmal nicht versteht,
und ihn nicht versuchen zu aendern,
da man sowieso nur sich selbst aendern kann.
Auf der Basis meiner Def. f. Liebe ist es den Partnern moeglich, sich
geistig und emotional zu entfalten. Bei dieser Art von Liebe haben beide
Partner Luft zum Atmen. Wenn zwei auf dieser Basis eine Ehe gruenden, dann
ist ein dauerhafter Bestand dieser Partnerschaft sehr wahrscheinlich.
Wer jedoch auf Antoines Def. f. L. seine Partnerschaft aufbaut, der muss
damit rechnen, dass nach ein paar Jahren die Blickrichtungen nicht mehr
parallel verlaufen, und da man es nicht gelernt hat, dem anderen seine
Freiheit und Eigenstaendigkeit zu goennen, fuehrt dann dieser Zustand zu
fundamentalen Streitigkeiten, zum Tod der Liebe und somit auch zum Tod der
Partnerbeziehung. (Die am meisten Leidtragenden, das sind dann die
betroffenen Kinder - wuerde ich mal sagen.)
Wie stand es doch vor ein paar Monaten in der Zeitschrift "Psychologie
heute"?
"Es gibt keine Partnerbeziehungen
ohne Krachs.
Die Toleranzfaehigkeit der Partner
entscheidet letztlich darueber, ob
eine Partnerschaft dauerhaft
Bestand hat oder nicht."
Schoene Gruesse
?Hansi?
P.S.:
Warum ich euch diese Gedanken von mir schicke? Weil ich
das Gefuehl habe, dass viel zu viele Menschen Antoines
Definition fuer Liebe sich verinnerlicht haben.
Was glaubt ihr, wie schnell Gottes Liebe zu euch
verschwunden waere, wenn seine Liebe zu uns auf
Antoines Definition fuer Liebe basieren wuerde.
"Ja Gott! Klar! Der! Dem seine Liebe ...!" Hey Leute,
Jesus ist unser Bruder, und seine Liebe zu uns ist so
gross wie die Liebe Gottes zu uns. Die Apostel haben
sich sicherlich Jesus zum Vorbild gemacht. Gott hat uns
nach seinem Abbild geschaffen, so kann man´s in der
Bibel lesen. Was also ist daran abwegig, wenn man sich
bemueht, so zu sein wie es Gott im Idealfall gern von
uns haette? Na klar, wir werden versagen, immer wieder,
immer wieder. Na und? Dafuer sind wir Menschen. Dafuer
hat sich Jesus fuer uns geopfert. Aber von vornherein
die Fluegel haengen zu lassen und zu sagen, "das schaff´
ich eh nicht", das ist nicht die Haltung, die sich Gott
von uns wuenscht.
"Immer und immer wieder auf den anderen zugehen ...", so
habe ich´s in meiner Definition geschrieben. Wisst ihr,
warum ich das tue? Weil Gott es auch tut. Immer und
immer wieder. Und ich bin froh darueber. Sehr froh. Wenn
er es nicht taete, ich waere verzweifelt, es waere
eine Katastrophe!
"Wir werden spaeter mal nach unseren eigenen Massstaeben
gerichtet", so kann man´s im NT lesen. Wenn ich mir
erhoffe, dass Gott immer und immer wieder auf mich zukommt,
dann ist es doch nur recht und billig, wenn ich mich
bemuehe, mich meinen Mitmenschen gegenueber auch so zu
verhalten.
(Je mehr Verliebte so denken, desto weniger Scheidungskinder
wird es geben.)
H. / K.