Abgeschickt von Schagga am 08 Februar, 2001 um 15:40:33
Die Opiatsucht ist eine stoffwechselbedingte Krankheit, die durch fortgesetzten Morphingenuss verursacht wurde. Der Genuß von Heroin/Morphium führt zu einer stoffwechselbedingten Abhängigkeit von der Droge. Wie Wasser wird es zur biologischen Notwendigkeit, und der Süchtige kann sterben, wenn ihm die Droge plötzlich entzogen wird. Über den Zweitraum von 15 Jahren habe ich eine Anzahl narkotischer Drogen benutzt. Einige führen im oben genannten Sinne zur Sucht, die meisten nicht. M.E. nach ist eine psychologische Behandlung nicht nur zwecklos, sondern unangebracht. Nach den Statistiken rekrutieren sich die Leute, die Morphinsüchtig werden aus allen Kreisen der Gesellschaft. In manchen Gebieten Arabiens und Indiens sind über 70 % der Bevölkerung süchtig. Sollen wir also mehrere Millionen Perser psychoanalisieren, um herauszufinden, welche schweren Konflikte und Ängste sie dazu trieben, Opium zu nehmen? Ich glaube kaum. Nach meiner Erfahrung sind die meisten Süchtigen nicht neurotisch und brauchen keine Therapie.
Zu meinem persönlichen Suchtverlauf. Im Alter von 20 Jahren erwachte aus einem Stimmungstief, aber ansonsten körperlich ganz und geistig verhältnismäßig gesund, die Krankheit. Rauschgiftsucht. 8 Jahre bin ich jetzt süchtig. Wenn ich von einem Süchtigen spreche, meine ich jemanden der Opiaten verfallen ist. Ich habe Opiate in vielfältiger Form genommen: Morphium, Heroin, Dilaudid, Valeron, Demerol, Methadon, L-Polamidon und Codein. Ich habe sie gegessen, geraucht, geschnupft, in Venen und Haut und Muskel injiziert und als rektale Suppositorien eingeführt. Die Nadel spielt keine Rolle. Ob man das Zeug schnupft, raucht, ißt oder in den Arsch schiebt, das Ergebnis ist immer dasselbe: Sucht. Nach anfänglichem Hochgefühl, und dem Wahn, das Glück nun in Flasche kaufen zu können und mit nach Hause nehmen zu können. Nach etwa 3 bis 4 Jahren problemfreien Konsum kam der Absturz: Damals lebte ich in einem kleinen Zimmer in Stuttgart. Über Wochen habe ich kein Bad genommen, meine Kleider weder gewechselt noch ausgezogen; außer um stündlich eine Nadel ins graue und faserige Fleisch zu jagen. Nie reinigte ich das Zimmer. Leere Ampullenschachteln und gebrauchte Spritzen türmten sich bis an die Decke. Ich tat absolut nichts. Acht Stunden am Tag konnte ich die Spitze meines Schuhs betrachten. Zu einer Handlung raffte ich mich nur auf, wenn es um die Beschaffung von Drogen ging. Ich bezahlte einen Arzt, der selbst süchtig war, mir Morphiumampullen zu bringen. Wenn mich ein Freund besuchte - und das kam selten vor, denn wen oder was gab es da zu besuchen - saß ich da und es berührte mich nicht, daß er mein Gesichtsfeld betreten hatte, und es berührte mich nicht, wenn er wieder ging. Wäre er auf der Stelle tot umgefallen, hätte ich weiter dagesessen und meinen Schuh angestarrt und darauf gelauert, seine Taschen zu durchsuchen. Würdest Du es nicht ? Weil ich nie genug Opiat hatte - niemand hatt das jemals. 10 Ampullen am Tag und es war immer noch nicht genug. Und das lange warten beim Arzt und dann wieder vor der Apotheke. Verzögerung ist ein Gesetz im Opiatgeschäft. Der Mann ist NIE pünktlich, das ist kein Zufall - es gibt in dieser Welt keine Zufälle. Dem Süchtigen wird immer wieder vor Augen geführt, was geschieht, wenn er seine Droge nicht bekommt. Kratz das Geld zusammen, sonst.....
8 Jahre der Sucht, in unterschiedlicher Intensität, hab ich das Vorgehen des Opiatvirus beobachtet. So zum Beispiel die Pyramide des Opiats, in der eine Ebene die darunterliegende frißt (Es ist kein Zufall, daß die Hintermänner des Drogengeschäftes immer dicker, der Junkey auf der Straße aber immer dünner wird), bis zu den Spitzen, den es gibt viele Opiatpyramieden, die sich an den Völkern der Erde mästen, und sie sind ALLE nach den einfachen Grundprinzipien der marktwirtschaftlichen Monopolstellung aufgebaut:
· Gib niemals etwas umsonst her
· Gib niemals mehr, als Du geben mußt (schnapp Dir den Käufer immer dann, wenn er am hungrigsten ist, und laß ihn warten).
· Hol dir alles zurück, wenn Du kannst Und stets bekommt der Händler alles zurück.
Der Süchtige braucht mehr Opiate um seine menschliche Gestalt zu behalten.... "kauf dich vom Affen (Entzugssyntome) los" Opiate sind der Schimmel der Monopole und des Besitzes. Opiate sind quantitativ genau meßbar. Je mehr Opiate man nimmt, desto weniger hat man, und je mehr man hat desto mehr nimmt man. Alle anderen Drogen, besonders die hallozinogenen werden von denen die sie benutzen, als heilig angesehen - es gibt Peyotlkulte, Haschisch und Pilskulte uvm, aber es ist noch niemand auf die Idee gekommen, das Opiate heilig sind (Ausnahme: Die alten Griechen, deren Gott des Schlafes, Morpheus, der einzige Gott war, der auf der Erde wohnte - in der Mohnpflanze). Generell gilt: Opium ist profan und der Quantität unterworfen wie das Geld. Es ist das ideale Produkt.... die letzte Ware. Der Kunde wird durch die Kloake kriechen und darum bitten, kaufen zu dürfen. Man braucht den Käufer nicht zu beschwatzen, kein Sells-Promotion, kein Merchandising. Der Opiathändler verkauft nicht das Produkt an den Kunden, er verkauft den Kunden an das Produkt. Er verbessert und vereinfacht die Ware nicht, er verbessert und vereinfacht den Kunden. Er bezahlt seine Angestellten in Opiaten. Opiate liefern eine Grundformel des "bösen" Virus: Die Algebra des Verlangens. Immer ist das Gesicht des bösen das Gesicht des totalen Verlangens. Ein Süchtiger ist ein Mensch mit totalem verlangen nach Rauschgift. Über eine gewisse Frequenz hinaus, kennt das Verlangen absolut keine Grenzen oder Schranken. Mit den Worten des totalen Verlangens: "Würdest Du es nicht?" Ja das würdest du! Du würdest lügen, betrügen, Deine Freunde und Eltern verraten, stehlen. Du würdest alles tun, um das totale Verlangen zu befriedigen. Weil Du Dich in einem Zustand totalen Krankseins, totaler Besessenheit befänden und nicht in der Lage wärst, in irgendeiner Form anders zu handeln. Süchtige sind kranke Menschen, die keine andere Wahl haben, als zu handeln, wie sie es tun. Ein tollwütiger Hund kann nicht anders als zu beißen. Eine selbstgerechte Sicht der Dinge, wie ich sie tagtäglich erlebe, seit ich mich als Süchtiger geoutet habe führt zu nichts, es sei denn, man beabsichtigt den Virus des Opiats am Leben zu halten. In einer süchtigen Gesellschaft (Eßsucht, Sexsucht, Beziehungssucht, Magersucht, Spielsucht, Chatsucht, Geltungssucht, Eifersucht, Sucht nach Macht, Geld, Anerkennung und, und und) sind wir stofflich abhängigen immernoch diejenigen, auf die die anderen Süchtigen herabschauen können. Der Gesetzgeber hat die Drogen immerhin verboten und somit Millionen von Süchtigen kriminalisiert.
Meine derzeitige Situation ist nicht erfreulich, aber ich habe Hoffnung. Hoffnung stirbt immer als letztes. Und ich weiß jetzt, daß ich krank bin. Daß ich machtlos bin gegen die Sucht und daß das mein Leben lang so sein wird. Kein Mensch ist einem böse, wenn man sagt man hat Krebs. Ich bin Süchtig. Dies ist keine Entschuldigung, keine Ausrede, es ist eine wichtige Feststellung! Denn nur mit dieser Erkenntniß meiner Machtlosigkeit habe ich die Chance zeitweilig oder auch dauerhaft gegen die Gier anzugehen, die immer da ist, immer da sein wird auch in diesem Moment. Wenn Du auch betroffen bist oder Fragen dazu hast, scheuhe dich nicht, mich anzusprechen.