Zusammenfassung
Alle Stämme Israels kommen nach Hebron zu David und bekennen: „Wir sind dein Gebein und dein Fleisch.“ Sie erinnern an seine frühere Führungsrolle im Krieg und an Gottes Zusage, dass er Hirt seines Volkes sein soll. In Hebron schließen sie einen Bund mit David vor dem HERRN und salben ihn zum König über ganz Israel. David ist 30 Jahre alt, als er König wird, und regiert insgesamt 40 Jahre – zunächst sieben Jahre über Juda in Hebron, dann 33 Jahre über ganz Israel und Juda in Jerusalem.
Nun richtet David seinen Blick auf Jerusalem, das noch von den Jebusitern gehalten wird. Diese fühlen sich in ihrer Festung unangreifbar und verspotten David, doch er erobert die Stadt und macht sie zu seiner Residenz: „Davids Stadt“ auf dem Berg Zion. Hiram, der König von Tyrus, sendet Holz, Handwerker und Steinmetze, um David ein Haus zu bauen. David erkennt darin, dass der HERR ihn als König bestätigt und sein Königtum um Israels willen erhöht. Zugleich nimmt er weitere Frauen und es werden ihm in Jerusalem viele Söhne und Töchter geboren.
Als die Philister hören, dass David nun König über ganz Israel ist, ziehen sie gegen ihn herauf. David sucht die Führung Gottes: Soll er hinaufziehen? Der HERR verspricht den Sieg. Bei Baal-Perazim schlägt David die Philister und bekennt: „Der HERR hat meine Feinde vor mir durchbrochen wie eine Wasserflut.“ Die Götzenbilder der Philister werden zurückgelassen. Bei einem zweiten Angriff befiehlt Gott eine andere Taktik: David soll den Umweg machen und warten, bis er das Geräusch von Schritten in den Wipfeln der Balsambäume hört – ein Zeichen, dass der HERR vor ihm hergezogen ist. David gehorcht und siegt erneut.
Theologische Interpretation
2. Samuel 5 bündelt mehrere Linien der alttestamentlichen Heilsgeschichte. Mit der dritten Salbung Davids wird Gottes Verheißung sichtbar: Der Hirte aus Bethlehem wird König über das ganze Volk. Königsherrschaft ist dabei nicht primär ein Machtamt, sondern ein Hirtendienst – zum Schutz und Wohl des Volkes. Jerusalem als „Stadt Davids“ gewinnt hier zentrale Bedeutung: Aus einer jebusitischen Festung wird der geistliche und politische Mittelpunkt Israels. Damit bereitet der Text die spätere Rolle Jerusalems als Ort des Tempels und der Gegenwart Gottes vor.
Doch mitten im Aufstieg liegen Gefahren. Davids wachsende Macht zeigt sich auch in seiner wachsenden Zahl von Frauen und Kindern – ein ambivalentes Zeichen von Stärke und zugleich ein Bruch mit Gottes ursprünglichem Ideal der Ehe. Der Text beschönigt das nicht, sondern notiert nüchtern. Theologisch entscheidend ist Davids Haltung im Konflikt mit den Philistern: Er verlässt sich nicht auf militärische Routine, sondern befragt den HERRN erneut, obwohl es „nur“ derselbe Gegner ist. Gott gibt ihm zweimal unterschiedliche Strategien – ein Hinweis darauf, dass geistliche Leitung nicht aus Schema F besteht, sondern aus laufender Abhängigkeit von Gottes Wort.
Aktualisierung mit NT-Bezug
Im Neuen Testament begegnet uns Jesus als der größere Sohn Davids, der wahre Hirtenkönig. Wie David zum König über ganz Israel eingesetzt wird, so wird Jesus nach seiner Auferstehung als Herr über Himmel und Erde ausgerufen (Mt 28,18). Jerusalem wird zur Bühne seines Leidens und seiner Auferstehung – und zugleich zum Ausgangspunkt der weltweiten Mission. Wo David gegen philistäische Heere kämpft, ringt Jesus mit den Mächten von Sünde, Tod und Teufel. Sein Sieg am Kreuz ist der endgültige „Durchbruch Gottes“.
Davids Hören auf Gottes Stimme erinnert an Jesu völlige Ausrichtung auf den Willen des Vaters: „Der Sohn kann nichts von sich selbst tun, außer was er den Vater tun sieht“ (Joh 5,19). Für die Gemeinde heute heißt das: Sie lebt nicht aus eigenen Strategien, sondern aus der Führung des Heiligen Geistes. Die „Schritte in den Wipfeln“ können uns ein Bild dafür sein, sensibel auf Gottes leise Impulse zu achten, bevor wir handeln. Gleichzeitig bleibt die Mahnung, die Schattenseiten der Macht ernst zu nehmen: Auch geistliche Leiter sind gefährdet, Kompromisse einzugehen. Das Neue Testament ruft darum immer wieder zur Demut und zur Orientierung an Christus als einzigem Haupt der Gemeinde.
Fazit
2. Samuel 5 zeigt den Höhepunkt von Davids Berufung: vom Hirtenjungen zum König über ganz Israel, von Hebron nach Jerusalem, von der Verteidigung zur gestaltenden Herrschaft. Doch der Text bleibt realistisch: Neben Gottes Treue stehen menschliche Ambivalenzen. Entscheidend ist, dass David immer wieder die Stimme Gottes sucht und seine Siege Gott zuschreibt. Ein Leitsatz könnte lauten: „Gott krönt diejenigen, die auf ihn hören – nicht sich selbst.“ Wo Christen Verantwortung übernehmen, sind sie gerufen, wie David in Baal-Perazim zu sagen: Nicht meine Stärke hat gesiegt, sondern Gottes Durchbruch. Und wo wir auf die „Schritte in den Wipfeln“ achten, kann unser Handeln zu einem Echo von Gottes Führung werden.
Studienfragen