Zusammenfassung
David möchte die Bundeslade, das Zeichen von Gottes Gegenwart, nach Jerusalem holen. Mit 30 000 Auserlesenen Israels bricht er nach Baala auf. Die Lade wird auf einen neuen Wagen gestellt, den Ussa und Ahjo, Söhne Abinadabs, lenken. Inmitten von Musik und Jubel gerät der Wagen ins Schwanken; Ussa streckt die Hand aus, um die Lade zu halten. Da brennt der Zorn des HERRN auf, Ussa wird wegen seiner Unachtsamkeit erschlagen. David erschrickt, wird zornig und fürchtet sich nun vor dem HERRN. Die Lade bleibt drei Monate im Haus Obed-Edoms, und Gott segnet dessen Familie.
Als David hört, dass das Haus Obed-Edoms gesegnet wird, fasst er neuen Mut. Diesmal wird die Lade nach den göttlichen Vorschriften von Leviten getragen, und nach je sechs Schritten werden Opfer dargebracht. David tanzt mit ganzer Hingabe vor dem HERRN, nur mit einem leichten leinenen Ephod bekleidet. Michal, Sauls Tochter, sieht ihn vom Fenster aus und verachtet ihn in ihrem Herzen. Als die Lade in Jerusalem ankommt, segnet David das Volk und verteilt Brot und Speisen. Zu Hause konfrontiert Michal ihn spöttisch wegen seiner „Entblößung“ vor den Mägden. David antwortet, er habe vor dem HERRN getanzt, der ihn statt ihres Vaters zum König erwählt hat, und er sei bereit, noch geringer zu werden. Michal bleibt kinderlos bis zu ihrem Tod.
Theologische Interpretation
2. Samuel 6 führt in die Spannung von Nähe und Heiligkeit Gottes. David möchte Gottes Gegenwart mitten im neuen Zentrum des Volkes – ein gutes und geistlich richtiges Anliegen. Doch der erste Versuch scheitert, weil man die Lade wie ein gewöhnliches Heiligtum auf einen Wagen setzt, statt sie – gemäß der Tora – von Leviten tragen zu lassen. Ussas Tod wirkt hart, macht aber deutlich: Gottes Heiligkeit ist nicht domestizierbar. Gut gemeint ersetzt nicht gehorsam.
Der zweite Versuch zeigt die andere Seite: Wo Gottes Anweisungen ernst genommen werden, wird seine Nähe zum Segen. Davids Opfer unterwegs, sein Tanz und seine Hingabe machen deutlich: Anbetung ist Antwort auf Gottes Gegenwart, keine Kulisse für eigene Größe. Michal steht für eine kühle, distanzierte Religiosität. Sie betrachtet von oben, bewertet und verachtet. In ihrer Haltung verlöscht Fruchtbarkeit – symbolisch und biologisch. David repräsentiert eine Anbetung, die bereit ist, Würde loszulassen, um vor Gott klein zu sein. Theologisch wird sichtbar: Wahre Königswürde im Reich Gottes zeigt sich in Demut vor dem Heiligen.
Aktualisierung mit NT-Bezug
Im Neuen Testament wird die Bundeslade als Ort der Gegenwart Gottes vom gekreuzigten und auferstandenen Christus überboten. In ihm „wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“ (Kol 2,9). Die Gemeinde wird zum Tempel des Heiligen Geistes. Die Spannung aus 2. Samuel 6 bleibt aber: Gott ist uns in Christus nah, und doch bleibt er der Heilige. Im Abendmahl, in der Verkündigung, in gemeinsamer Anbetung: Wo wir Gott „auf den Wagen unserer Gewohnheiten“ setzen, ohne Ehrfurcht und Umkehr, verlieren wir leicht das Bewusstsein seiner Heiligkeit.
Davids Tanz erinnert an die Befreiung, die das Evangelium schenkt. Paulus ermutigt dazu, Gott mit Leib und Leben zu verherrlichen (Röm 12,1). Anbetung ist nicht bloß innerliche Zustimmung, sondern darf sichtbar, freudig, auch „unbeholfen“ sein. Michals Spott findet sein Gegenbild in den Menschen, die bei Pfingsten sagen: „Sie sind voll süßen Weins“ (Apg 2,13). Doch hinter echter Anbetung steht der Heilige Geist, nicht menschliche Show. Gemeinden stehen heute oft zwischen kühler Distanz und emotionaler Übersteigerung. 2. Samuel 6 ruft dazu, beides zu meiden: Gottes Heiligkeit ernst zu nehmen und zugleich vor ihm frei, ehrlich und hingebungsvoll zu feiern.
Fazit
2. Samuel 6 zeigt, wie Gottes Gegenwart zur Quelle von Freude und Furcht zugleich wird. David lernt: Nähe Gottes ist Geschenk, kein Besitz. Sie verlangt Gehorsam und öffnet zugleich Raum für überschwängliche Freude. Michals Blick aus dem Fenster warnt vor einem Glauben, der sich über andere erhebt und sich selbst schützt, statt sich vor Gott zu demütigen. Ein Leitsatz könnte lauten: „Wer Gottes Heiligkeit achtet, darf seine Nähe feiern.“ In der Balance von Ehrfurcht und Freude, Gehorsam und Freiheit wächst eine Anbetung, die Gott ehrt und Menschen verwandelt.
Studienfragen