Texterläuterung
Zwei Jahre nach Paulus’ Inhaftierung tritt Festus das Amt des römischen Statthalters in Judäa an. Schon kurz nach seiner Ankunft reist er nach Jerusalem, wo ihm die Hohenpriester und führenden Juden erneut Vorwürfe gegen Paulus vorbringen. Sie bitten darum, ihn nach Jerusalem zu bringen – mit dem Hintergedanken, einen Mordanschlag unterwegs zu verüben.
Festus lehnt ab und lädt die Ankläger ein, nach Cäsarea zu kommen. Dort halten sie ihre Anschuldigungen vor, können aber keinen stichhaltigen Beweis liefern. Paulus erklärt erneut seine Unschuld: Er habe weder gegen das jüdische Gesetz noch gegen den Tempel oder den Kaiser verstoßen.
Festus will Paulus den Juden zuliebe nach Jerusalem überstellen. Doch Paulus beruft sich auf den Kaiser, sein gutes Recht als römischer Bürger. Festus muss daraufhin die Berufung annehmen.
Kurz darauf besucht König Agrippa II. mit seiner Schwester Berenike den neuen Statthalter. Festus erzählt ihm von Paulus’ Fall, beschreibt dessen Haltung als religiös motiviert und schwer verständlich. Er erwähnt Paulus’ Behauptung, Jesus sei gestorben und lebe wieder, was er als den Kern der Auseinandersetzung sieht. Da Agrippa sich für die jüdischen Belange interessiert, will er Paulus persönlich anhören.
Theologische Interpretation
Kapitel 25 zeigt eine Kirche, die nicht aus Schwäche schweigt, sondern aus Überzeugung spricht – selbst unter politischem Druck. Paulus steht nicht nur als Angeklagter vor Festus, sondern als Zeuge Christi.
Die Berufung auf den Kaiser ist kein Trick, sondern ein Akt geistlicher Klugheit. Paulus erkennt: In Jerusalem droht ihm der Tod, aber Rom ist das Ziel seiner Berufung (vgl. Apg 23,11). Mit seiner Berufung nimmt er sein Schicksal an – und öffnet zugleich den Weg, dass das Evangelium das Zentrum der damaligen Welt erreicht.
Gleichzeitig offenbart sich im Gespräch zwischen Festus und Agrippa, wie rätselhaft das Evangelium für Außenstehende ist. Der Glaube an den Auferstandenen erscheint absurd – und doch bleibt er der Kern der christlichen Botschaft. Festus spricht zwar herablassend, aber Paulus bleibt standhaft.
Leitthema aus heutiger Sicht: Berufung über Bequemlichkeit
Paulus hätte den Weg des geringeren Widerstands wählen können – aber er folgt der Berufung, auch wenn sie ihn nach Rom und in Gefangenschaft führt. Sein Beispiel zeigt: Wer Christus folgt, rechnet nicht nur mit Zustimmung – sondern ist bereit, Wege zu gehen, die kostspielig sind.
Ein aktuelles Beispiel ist Zhang Boli, ein chinesischer Christ, der 1989 als Student an den Protesten auf dem Tiananmen-Platz teilnahm. Nach der gewaltsamen Niederschlagung floh er, kam zum Glauben an Christus und wurde später Pastor. In Interviews sagte er: „Ich hatte kein Ziel – bis Jesus mich fand. Jetzt weiß ich, wohin ich gehen muss.“ Seine Berufung führte durch Flucht, Unsicherheit und Verzicht – aber auch in die Freiheit eines klaren Lebensziels.
Zusammenfassung
Apostelgeschichte 25 ist ein Kapitel der Entscheidung. Paulus stellt sich nicht nur der Justiz, sondern seiner Sendung. Der Weg nach Rom ist kein Umweg – er ist Gottes Plan. Auch wenn Menschen taktieren, Druck ausüben oder Gleichgültigkeit zeigen, bleibt der Auftrag bestehen: Das Evangelium soll bis an die Enden der Erde – auch bis in die Paläste der Macht. Wer Gottes Stimme folgt, geht mutig – auch durch enge Tore.