Impuls:
Vom bösen Nachbarn
Wir
freuen uns auf ein paar schöne Tage am Iseosee in
Oberitalien und fahren erwartungsvoll bei strahlender Sonne die
Brenner Autobahn hinab. Vor Bozen lichtet sich die schier endlose
Schlange der Lastwagen etwas, so dass es möglich ist auch
einmal rechts zu fahren. Als ein LKW vor mir doch deutlich unter
den erlaubten 110km/h bleibt, setze ich zum Überholen an.
Auf der Höhe seines Führerhauses, bemerke ich einen
Drängler hinter mir, der dicht auf meiner Stoßstange
hockt und offenbar deutlich schneller vorankommen möchte,
als es erlaubt ist. Ich warte, bis ich genug Sicherheitsabstand
zum Lastwagen habe, dann schere ich nach rechts ein, um ihn
vorbeizulassen. Und dann passiert das Unglaubliche: Der Drängler
überholt mich, setzt sich scharf rechts direkt vor mein Auto
und macht eine Vollbremsung. Ich ebenso, bis zum Stand unserer
beiden Wagen. Bruchteile von Sekunden entscheiden über Leben
und Tod. Irgendwie schaffen es die anderen, an uns vorbei zu
kommen, dann fährt er zügig wieder an, ich ebenfalls,
denn auf der Autobahn soll man ja bekanntlich nicht halten. Und
wieder macht er eine komplette Vollbremsung. Ich tue ihm nicht
den Gefallen und fahre ihm hintendrauf, auch keines der anderen
Autos fährt auf meines drauf. Meine Frau, zutiefst
erschrocken, ruft: "Was soll das denn?" und ich
antworte: "Da will uns einer töten." Ich kann
nicht weiterfahren, denn er steht zu dicht vor mir.
Zurückzusetzen auf der Autobahn traue ich mich nicht. Nach
gefühlten langen Minuten fährt er endlich los. Welche
Absichten er hatte, weiß ich nicht, aber was es auch war,
sein Anschlag ist ihm nicht gelungen.
Lieber
Leser, ist dir das bekannt? Man ahnt nichts Böses und
plötzlich sitzt man in irgend einem Problem und wird zum
Handeln gezwungen, ohne dass man das eigentlich will. Andere
übernehmen die Initiative und man kann nur reagieren. So
erging es Joseph, der von seinen Brüdern gehasst, in einer
Zisterne in der Wüste zurückgelassen wurde. Als sie
später als Bittsteller vor ihm stehen, empfängt er sie
mit den Worten: " Ihr gedachtet es böse mit mir zu
machen, aber Gott gedachte es gut zu machen!" (1.Mose 50,
20a) Gott hat seine Hand über ihn gehalten und trotz aller
Widrigkeiten, trotz allem Neid und der Boshaftigkeit seiner
Brüder seinen Plan mit Joseph durchgesetzt. Und Joseph
nutzte die Gelegenheit, um seinen Widersachern zu vergeben. ER
hat seine Hand über meine Frau und mich auf der Autobahn
gehalten und er hält - dessen bin ich gewiss - ebenso seine
Hand über dich, wenn du ihn darum bittest. Auch wenn das
Sprichwort sagt: Es kann der Frömmste nicht in Frieden
leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt, so hat
Gott, der Herr, Mittel und Wege, unseren Seelenfrieden wieder
herzustellen und wir können schlussendlich unseren
Widersachern vergeben. Das ist gut zu wissen. Das tröstet.
Wir haben nicht zugelassen, dass dieser Drängler uns die
Freude raubte und haben unseren Urlaub genossen. Lass auch du dir
deinen Frieden nicht rauben, denn Gott gedenkt es gut mir dir zu
machen!
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