Abhängigkeit Ernesto
Cardenal, Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels
1980, schreibt in seinem „Buch von der Liebe“: Alle Menschen werden mit einem verwundeten Herzen und einem unstillbaren Durst geboren. „Wie dürres Land lechzt meine Seele Dir entgegen,“ (Psalm 142). Der Vorgang des Essens und Trinkens wurde vom Schöpfer als materielles Symbol dieses Hungers und Durstes nach Gott eingesetzt. Dieser
Durst nach Gott spiegelt sich als innere Unruhe auf den
Gesichtern aller Menschen, welche die Straßen, die Läden,
die Kinos und Bars bevölkern. Alle Welt trägt einen
Wunsch mit sich, viele Wünsche, eine Unendlichkeit von
Wünschen: noch ein Gläschen, noch ein Stück
Kuchen noch ein Blick, noch ein Wort, noch ein Kuss, noch ein
Buch, noch eine Reise. Mehr und immer mehr. Der
Mensch denkt immer, mit ein wenig mehr hätte er schon
genug, aber immer wünscht er dann doch noch mehr und
mehr. Die
Menschen sind mit den Dingen dieser Erde nie zufrieden, weil sie
nicht für sie geschaffen wurden. Die Tiere befriedigen ihre
Bedürfnisse und brauchen nicht mehr. Sie spüren keinen
Durst nach Unendlichkeit in sich, und diese Erde ist ihr Himmel.
Darum sind die Tiere nie von ihrem Leben enttäuscht und
begehen nie Selbstmord, weil sie für diese Schöpfung
erschaffen wurden. (Und alle Tiere sind auch Heilige, mit ihrer
tierhaften Heiligkeit, sie sind keusch und arm und gehorsam wie
die Mönche, und sie sind demütig.) »Auf, meine Freundin! Du meine Schöne, komm! Vorüber ist die Winterzeit, der Regen ist vorbei« (Hohes Lied, 2,10). |
|