Lisa
war wütend. Sehr wütend. Und nun war sie abgehauen von
Mama und Papa und der blöden Schule, weil die so gemein zu
ihr gewesen waren. Sie bog von der Dorfstraße auf den
Feldweg ab, der zum Wald führt. Sie ging schnell,
ruckartig, so wie man eben geht, wenn man wütend ist.
Keiner verstand sie. Sie hatte sich so viel Mühe mit
Ihrem Hausaufgabenblatt gegeben und 100 große „A“
geschrieben. Die waren alle sehr schön, richtig geschwungen
und kein einziges Mal hatte sie radiert. Ein „A“ sah
aus wie das andere und über das Blatt hatte sie ganz sauber
„Hausaufgaben“ und das Datum geschrieben. Und dann
hat diese blöde Lehrerin unter das Blatt mit roter Tinte
eingefügt: Das ist nicht ganz richtig Lisa: Das große
A ist oben spitz. Noch einmal!
Sie
lief über die kleine Brücke, die den Dorfbach
überquert, ohne die Enten zu sehen, die unter dem alten
Bauwerk Schatten suchten. Sonst blieb sie immer stehen und sah
den Küken zu, die so lustig hinter ihren Müttern her
schwammen. Aber heute war nicht sonst und ihre Mutter hatte
gesagt, dass die Lehrerin ja recht hat, denn die weiß, wie
man ein „A“ richtig schreibt, und sie will ja nur
das Beste für Lisa. Sie lief über die kleine
Brücke, die den Dorfbach überquert, ohne die Enten zu
sehen, die unter dem alten Bauwerk Schatten suchten. Sonst blieb
sie immer stehen und sah den Küken zu, die so lustig hinter
ihren Müttern her schwammen. Aber heute war nicht sonst und
ihre Mutter hatte gesagt, dass die Lehrerin ja recht hat, denn
die weiß, wie man ein „A“ richtig schreibt,
und sie will ja nur das Beste für Lisa.
Ist
es nicht vollkommen egal, ob man ein A oben spitz oder rund
schreibt? Rund sieht es doch viel hübscher, ja eher wie
etwas Besonderes aus, weil die anderen alle ein spitzes „A“
schreiben. Ich bin eben was Besonderes, dachte Lisa und Mama
weiß das nicht. Nie wieder gehe ich nach Hause oder in die
Schule, ganz bestimmt nicht. Niemals. Das haben sie nun
davon. Und so hatte sie ihren Rucksack gepackt, etwas Brot,
eine Jacke, ein Bilderbuch und ihr Lieblingsstofftier
hineingetan, und war gegangen. Vorher hatte sie Mama einen
Zettel auf den Küchentisch gelegt, auf dem stand mit
krakeliger Schrift:
Es ist egal,
wie man ein „A“ schreibt. Tschüss.
Lisa
war am Waldrand angekommen, der Weg führte jetzt mitten in
den Wald hinein. Die Bäume waren groß und wuchtig und
es war schön schattig. Dann wurde der Weg schmaler und die
Bäume kamen näher. Plötzlich gab es einen
Riesenkrach und kurz darauf ein Ächzen und Stöhnen und
nicht weit vor ihr legte sich ein großer Baum über
den Weg. Erschrocken blieb Lisa stehen. Sie sah, wie Männer
aus dem Wald kamen mit Äxten, Sägen und merkwürdigen
Maschinen. Sie drehte sich schnell um und lief zum Waldrand
zurück, setzte sich auf eine Bank ein wenig abseits des
Weges und aß von dem Brot, das sie mitgenommen hatte. Hier
war der Krach nicht so laut und sie fühlte sich sicherer,
denn sie konnte das Dorf sehen. Mama hatte sie bestimmt nicht
lieb, sonst hätte sie der Lehrerin nicht recht gegeben.
Eine Mutter muss zu ihrer Tochter halten, so gehört sich
das! Lisa nahm ihr Lieblingstier aus dem Rucksack und
spielte Mutter und Tochter, natürlich eine liebe Mutter,
die ihre Tochter versteht, weil sie sie liebhat! Und dann
pflückte sie noch ein paar Blumen...........
Und
dann hörte sie plötzlich die Stimme ihrer Mutter und
einiger Nachbarn, die ihren Namen riefen und den Feldweg
heraufkamen. Sollten die doch suchen, sind doch selbst
Schuld, dachte sie und sah, wie die Mutter und die anderen in
den Wald hineingingen. Da kletterten ihre Beine plötzlich
von ganz allein auf die Bank. Sie rief erst leise, ganz
leise, dann immer lauter: Mama, Mama, hier bin ich! Sie
musste die Mama und die anderen doch warnen vor den Männern
im Wald und den umfallenden Bäumen. Die waren ja
gefährlich.
Und dann kam ihre Mutter angelaufen und
umarmte sie und die Nachbarn freuten sich und waren sehr
erleichtert. Zu Hause angekommen, sah sie den Zettel auf dem
Tisch, auf dem stand:
Es ist
egal, wie man ein „A" schreibt. Tschüss.
Lisa
wollte ihn gerade wegstecken, da sagte ihre Mutter: Ich rufe
gleich mal die Lehrerin an, vielleicht kann sie eine Ausnahme
machen, denn eigentlich ist es doch egal, wie man ein "A"
schreibt. Meine Tochter schreibt ein „A“ eben etwas
anders.
Da strahlte Lisa und packte ihre Sachen
aus. Dahin, wohin sie gehörten.
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