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Lass mich das Problem einmal an einem Beispiel deutlich machen. Seit meiner Kindheit gelten gerade in charismatischen Gemeinden die US-Amerikaner als Heilbringer. Sie waren und sind Vorbilder für die Methodik der Gemeindeneugründung, neue Geisteswirkungen, moderne Theologie und vor allem für eine Fülle charismatischen Liedgutes besonders im Bereich Lobpreis. Kein großer deutscher Kongress kommt ohne einen Redner von jenseits des Atlantik aus und amerikanische Pastoren mit ihren Fernsehkanälen und Videopredigten werden von deutschen Freikirchlern gerne gehört. Jahrzehntelang hat man unermütlich amerikanisch evangelikales Gedankengut fast ungefiltert übernommen und versucht, es auf deutsche Verhältnisse zu übertragen. Auch wenn das nie richtig glückte, hielt man gerade an den überseeischen Erweckungsmethoden fest und ahmte sie nach, da es offenbar kaum Alternativen gab. Nicht nur "Vineyard", "Saddleback" oder "Willow Creek" galten als Vorreiter in Sachen Evangelisation, selbst Gruppen wie "Jugend mit einer Mission" und viele andere entpuppen sich nach genauem Hinsehen als amerikanisch. Natürlich erfüllen alle diese Gruppen ihren Dienst und es ist gut, Impulse von ihnen zu bekommen, aber mir scheint, dass sie den gleichen Fehler wie viele Gemeinden und Kirchen hier in unserem Land machen, sie kümmern sich zu wenig um den Erhalt und die Betreuung der bereits vorhandenen Mitglieder."
"Woher kommt dir den diese Erkenntnis?" ,fragte ihn seine Frau erstaunt.
"Sie rührt von einem Satz, den ich in der Interpretation einer großen Studie der unabhängigen "Barna-Group" zur amerikanischen Frömmigkeit fand. Dort war zu lesen, dass sich in den letzten 10 Jahren die Zahl der praktizierenden Christen in den USA fast halbiert hat, das ist immerhin ein Verlust von 80 Millionen! (1) Der deutschen Kommentar dazu: "
Die Kirchen-Verantwortlichen müssten sich jetzt stärker um die Aufmerksamkeit des verbleibenden aktiven Teils der Christen bemühen", so zitiert ein Artikel auf der Website der "Barna Group" deren Präsidenten David Kinnaman. Ist es nicht traurig, dass Statistiker den verantwortlichen Christen sagen müssen, was zu tun ist?
Saron schwieg. Dann, nach einer Weile fuhr er fort:

"
Gemeindeglieder brauchen Betreuung, feste Wurzeln, gute Bibelkenntnis und eine klare biblische Lehre. Sie müssen Treue zu Jesus, zur Gemeinde, zu Gottesdiensten und zu den verschiedensten Aufgaben in der Gemeinde lernen. Jeder und jede muss auf die Realitäten des Glaubenslebens vorbereitet sein, auch und besonders die negativen, wenn ihnen Schreckliches widerfährt und ihr Glaube auf die Probe gestellt wird. Das alles braucht Kraft, Gebet, Seelsorge eine gute Strategie und viel, viel Arbeitszeit. Wer sich mit Methoden der Erweckung beschäftigt, muss sich genauso intensiv mit den Gründen der Menschen beschäftigen, die eine Gemeinde verlassen haben, um zu überprüfen, ob und wo diese recht hatten. Das alles beinhaltet der Hirtendienst. Er bedeutet nicht in erster Linie Vergrößerung der Herde. Das übernimmt der, der über dem Hirten steht."
Saron wandte sich wieder den Papieren auf seinem Schreibtisch zu und seine Frau ging, da das Telefon im Wohnzimmer geläutet hatte.
























(1) Da sich für Deutschland in den nächsten Jahren ähnliche Probleme wie in den USA ergeben – auch hier schwindet die Mitgliederzahl der großen Kirchen und die Bereitschaft zur Nachfolge Jesu – ist es gut, diese Studie genau anzuschauen. Immerhin wurden zu ihrer Erstellung 97000 Erhebungen über 20 Jahre hinweg gemacht.
Hier das Original: HIER Hier der deutsche Kommentar: HIER