DAS WESEN DER LIEBE III

Lange hatte Corinne über die Worte des Zauberers nachgedacht. Es hatte ihr viel bedeutet, was er gesagt hatte, andererseits waren ihr neue
Zweifel und Fragen gekommen.
So ging sie an den Häusern der Kaltherzigen vorbei, erfreute sich nicht an den Eisbegonien in ihren Gärten und gelangte durch den Wald zur Lichtung des Zauberers. Alles blühte in den schönen Farben der Zufriedenheit, und die Stille wurde nur durch die Stimme der Vögel unterbrochen.
Als der Zauberer sie erblickte, kam er zu ihr und sah sie lächelnd an.
"Schön, dass es dich gibt", flüsterte Corinne, "Ich habe eine Frage, bitte, versteh mich nicht
falsch, ich komme zu dir und stelle Fragen, wir sprechen miteinander,sonst nichts. Sag`, was hast du von meiner Freundschaft?"
"Du hast mich lieb, Corinne", antwortete ihr freundlich der Zauberer, "das genügt. Ich habe keine Forderungen."
"Aber du freust dich, wenn ich komme?", fragte sie.
"Ganz gewiss, ich hatte es erhofft." Der Zauberer sah sie verschmitzt an.
"So denken die Menschen vor dem Wald aber nicht",meinte Corinne nachdenklich.
"Ich weiß", sagte der Zauberer,"sie sind an sich selbst zu Narren geworden. Sie wollen alles HABEN: Geld, Einfluss, Macht und LIEBE. Nur weggeben wollen sie Nichts.
So ist auch ihre Liebe nur ein Habenwollen, Ansprüchestellen und Inbesitznehmen. Sie benutzen einander für ihre Zwecke. Sie brauchen den anderen für eine gewisse Zeit, aber zur LIEBE gehören untrennbar Treue und Verantwortung. Liebe will nur SCHENKEN. Sie ist anspruchs-, aber nicht hoffnungslos."

Corinne dachte: nur SCHENKEN, das ist doch ganz unmöglich. Jeder will doch auch etwas
zurückbekommen.

Der Zauberer bückte sich und pflückte ein Gänseblümchen.
"Für Dich", sagte er und ging ins Haus zurück.

Mit ihren Fingern streichelte sie seine Blüte, da schien es ihr, als würde das Innere der Blume zu reinem Gold.
Und als sie daran roch,
war es der Duft
roter Rosen.



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