Originaltext von damals


[ Antworten ] [ Ihre Antwort ] [ Forum www.saron.de ]

Abgeschickt von Manuel H. am 30 April, 2001 um 01:38:13

Antwort auf: Re: Gibt es einen Zufall? oder die Frage nach Gott von manowa am 30 April, 2001 um 00:40:55:

: hallo manuel,
: ich glaube, du liegst mit deiner schlußfolgerung am beginn deines texte einem irrtum auf. meines wissens nach ist es keinesfalls so, daß die naturwissenschaft zu der erkenntnis kommt, das alles vorhersagbar ist. das schlüsselwort ist hier die fraktaltheorie, die moderne mathematik hat nachgewiesen, daß ein zu beginn geordneter und berechenbarer zustand urplötzlich in den zustand des chaos - also des zufalls - gehen kann, und somit nicht mehr vorhersagbar ist. ein beliebtes und anschauliches beispiel ist der rauch einer erloschenen kerze, der ein stück gerade nach oben steigt um dann plötzlich chaotische formen anzunehmen. kein auch noch so schneller computer, kann diese bewegungen berechnen, in dieser formel wären einfach zu viele unbekannte. die aussage, die für mich dabei wichtig ist, daß uns von naturwissenschaftlicher seite der zufall erhaltengeblieben ist. es liegt an jedem einzelnen, daraus rückschlüsse zu ziehen, die an die schöpfung
: oder das chaos glauben lassen. ich persönlich fühle mich aus instinktiven gefühlen und logischen überlegungen dem zweiten zugetan.

---

Hallo manowa,
es ist interessant für mich zu erfahren, dass die Naturwissenschaft den Zufall erhalten möchte. Du schreibst, dass für einen Computer noch zuviele Unbekannte da sind, um das exakte Ergebnis zu liefern. Gerade hier liegt der Hase im Pfeffer. Ich habe mich entschlossen, Dir einmal den Originaltext meiner Überlegung zu liefern:

Gibt es einen Zufall?
-Ein theoretisches Experiment-

Gibt es einen Zufall? - Diese Frage mag vielleicht auf den ersten
Augenblick seltsam wirken, aber sie ist alles andere als das. Genauer
gesagt stellt sie das ganze Weltanschauungsbild des Menschen in Frage.
Warum das so ist, und was mit dieser Frage gemeint ist, möchte ich im
folgenden erläutern.

Wir leben im Jetzt. Was gestern war, kann niemand mehr ändern, und
was morgen geschehen wird, kann man höchstens wage versuchen, zu
erahnen.

Wenn wir etwas tun, ist es schon längst wieder Vergangenheit. Nichts
lässt sich spurlos wieder aus der Zeit streichen. Aber was ist mit
morgen? Alles ist möglich, oder etwa nicht? Für gewisse Ereignisse
sind schon die Weichen gestellt (Beispiel: Herr A. studiert Informatik
=> er wird einen darauf basierenden Beruf ausüben, z.B. bei einer
Softwarefirma). Der Rest ist dem Zufall überlassen.

Aber was ist der Zufall?
Definition im Lexikon: "Zufall - ein Ereignis, das nicht als notwendig
oder beabsichtigt erscheint und für dessen Eintreten es keinen direkten
erkennbaren Grund gibt."

Wenn wir uns an all den gefundenen physikalischen Gesetzmäßigkeiten
orientieren, so scheint auf jede Aktion eine vorbestimmte Reaktion zu
erfolgen. Ein Fehler in der Physik ist, dass die Umstände nicht peinlich
genau betrachtet werden, sondern sehr viel vernachlässigt wird.
Eben darum ist das Ergebnis manchmal anders als geplant.
Ein Beispiel: "Wenn ich auf den Lichtschalter drücke, geht das Licht an."
Zwar ein logischer Satz, aber geht das Licht wirklich an? Es gibt Fälle, in
denen das nicht eindeutig ist, z.B. wenn die Glühbirne defekt ist, eine Maus
am Kabel genagt hat oder die Sicherung draußen ist - alles "zufällige"
Ereignisse (bitte die Lexikon-Definition vor Augen halten!). Also müssen
wir den Satz umformen, etwa so: "Wenn ich den Lichtschalter betätige, sich
außerdem Schalter, Glühbirne und Kabel in einwandfreiem Zustand befinden,
die Stromquelle weiterhin stetig Strom abgeben wird und an allen notwendigen
Stellen die Verbindung hergestellt ist, so dass der Elektronenfluss von einem
Pol der Stromquelle durch das erste Kabel, durch die Glühlampe und deren dünne
Glühwendel hindurch, schließlich durch das zweite Kabel und damit durch
den Schalter, welcher gerade betätigt wurde, bis hin zum anderen Pol der
Stromquelle gewährleistet ist, und weiterhin eine Unterbrechung der Leiter
und damit eines vermeintlichen Elektronenflusses hundertprozentig
ausgeschlossen werden kann, so beginnt die Glühlampe in jedem Fall zu
leuchten."

Dieses Schema wollen wir nun auf die Natur anwenden. Stellen wir uns
zunächst einen der Außenwelt gegenüber abgeschlossenen Raum vor, der
frei von allen von der Außenwelt ausgesandten Reize, Kräfte usw. ist.
Solch einen Raum wird es vielleicht nie geben (selbst das BigBrother-Haus
war der Erdanziehung und dem Sonnenlicht ausgesetzt), deswegen müssen
wir diesen Versuch sich allein in der Theorie abspielen lassen.
In dem Raum erzeugen wir ein "Umfeld" von bestimmten Atomen oder Molekülen,
deren Eigenschaften wir genau kennen. Wenn ein uns vollkommen bekanntes
Etwas (und sei es auch nur ein Atom oder Molekül) sich in diesem Raum befindet
und etwas tut (z.B. eine Bewegung ausübt), dann könnte man diese Handlung
- unendlich genau betrachtet und unter Einbeziehung des uns bekannten
Umfeldes in dem Raum - auswerten und würde zu exakt dem selben Ergebnis
gelangen wie es sich in dem Raum ergibt.

Um ein Vielfaches komplizierter läuft es in der Natur ab. Jeder Mensch
handelt nach seinem Ermessen unter Einbeziehung der auf ihn treffenden
Reize, wobei wirklich jedes noch so kleine Staubkorn und dessen Bewegung
sowie eine jede elektromagnetische oder andere Kraft eine Rolle spielt.
Den Menschen an sich kann man (nach wissenschaftlicher Auffassung)
als ein maschinenartiges System ansehen. Jeglicher Gedanke ist ein
Schwingen von Atomen und Molekülen, der atomare Aufbau ändert sich
stetig (Bewegung, Absterben von Zellen, Nahrungsverarbeitung usw.).
Wie bereits oben erwähnt, folgt (unter unendlich genauer Betrachtung) auf
eine Aktion in einem Umfeld eine vorherbestimmbare Reaktion - wie in einer
chemischen Formel. Die Welt anhand ihrer physikalischen Erkenntnisse und
Gesetzmäßigkeiten zeigt also, dass es keinen Zufall gibt, keinen solchen
geben kann. Denn mit dieser Theorie haben wir die Definition des Zufalls
gesprengt. Es kann nichts mehr passieren, was unter peinlich genauer
Betrachtung Fragen offen ließe (sofern man weise genug ist, alles zu
verstehen). Jedes Ereignis oder Abweichen des geplanten Verlaufes einer
Aktion zur Reaktion wird erklärbar. Also ist da auch kein Platz mehr für
den Zufall.

Dennoch stehen unserer Theorie noch allgemein bekannte Sachverhalte entgegen.
Wenn wirklich alles erklärbar ist - es also auch keinen Zufall gibt -
dann müssen wir jede menschliche Handlung als Reaktion ansehen. Das
Handeln eines jeden Menschen wird berechenbar durch eine vielleicht
unendlich lange Formel mit unendlich vielen Variablen - die Weltformel.
An Stelle der Variablen treten alle Atome und deren Bewegungen, alle
Kräfte (so klein sie auch sind: selbst die Anziehungskraft des Planeten
Pluto hat - trotz seiner Entfernung - noch Einflüsse) usw. Theoretisch
wäre es möglich, alle diese Variablen zu kennen, so dass mit dieser
Formel alles Geschehen BERECHENBAR ist. Die Zukunft stünde fest wie die
Vergangenheit, all unser Handeln wäre nur Teil der unendlich langen
Reaktion des Lebens. Aber können wir dann noch von der "Fähigkeit des
freien Denkens" sprechen? Die Individualität eines jeden Menschen ist
niedergeschmettert, am Boden zerstört. Das ganze Leben hätte seinen
Namen nicht mehr verdient, wäre nur noch ein albernes optimistisches
Wort für das, was wir durchmachen, nämlich uns von der Zeit wie
Marionetten bewegen zu lassen - ohne Hoffnung auf Befreiung von den
Fäden.

Aber das Verblüffendste ist: Wir merken nicht einmal, dass die Zeit
mit uns macht, was sie will; dass für die Zeit schon das Drehbuch
geschrieben ist. So bleibt uns nichts anderes übrig, als weiterhin
an den Zufall (oder an einen Gott) zu glauben und unser Leben nach
unserem Ermessen zu gestalten, auch wenn es eigentlich schon feststeht,
was mit uns geschehen wird.



Antworten:



Ihre Antwort

Name:
E-Mail:

Subject:

Text:

Optionale URL:
Link Titel:
Optionale Bild-URL:


[ Antworten ] [ Ihre Antwort ] [ Forum www.saron.de ]