Corinne
hatte
einen Freund, den Zauberer.
Sie
wusste eigentlich nicht so recht, was ein Freund
ist,
wie die meisten Menschen, tat aber so, als ob sie es wisse, wie
die meisten Menschen es tun. Immer, wenn sie eine Frage oder ein
Problem quälte, ging sie in den Wald
zum
Zauberer, der in einem kleinen Haus fernab von den anderen
wohnte, weil sie nichts wissen wollten von seiner Kunst und
seinen Gaben und stets nur das Ihre
suchten.
"Bitte, lieber Zauberer", sagte Corinne,"was
kannst du über das Wesen der Liebe
sagen?"
Der
Zauberer sah sie lange nachdenklich an, sah wohl die Träne
versteckt im Winkel des Auges, die zitternde Hand, und lächelnd
erwiderte er: "Bist du verliebt, Corinne?" - “Ich
war es", flüsterte diese, "aber er liebt mich
nicht mehr!" - „Das Wesen der Liebe, wer will es
beschreiben?", begann der Zauberer,
"Selbst mit tausend Worten wäre mir dies nicht
möglich!" Er wiegte das Haupt. "Beschreib es
mit zehn!", drängte voller Erwartung das
Mädchen. Seufzend begann der Gefragte: "Im Wesen der
Liebe liegt tief die nie endende Treue."
"Ich
liebte ihn, aber er ist fort!", sagte die Kleine. "Du
liebtest das Bild, das du dir machtest von ihm und gabst ihm
ein Bild
zu
lieben von dir. So machen es viele. Sie merken es nicht. Und wenn
das Bild sich ändert, verblasst oder zerfällt, zerfällt
ihre Liebe." - "Wirst du mich immer liebhaben?",
fragte ängstlich das Mädchen. "Gewiss" ,
sagte langsam der Zauberer, "denn ich liebe nicht dein Bild,
sondern das Wesen
in
dir!" "Und wenn ich alt und hässlich werde oder
kriminell oder eine schlechte Mutter oder eine Prostituierte
oder..." "Auch
dann!", unterbrach sie der Zauberer, ohne zu zögern.
"Denn das Wesen in dir wird nie alt oder hässlich oder
schlecht sein. Es wird reifer, erfahrener, erfährt
Verletzungen, Wunden und Narben und es bleibt oder geht."
"Woher
nimmst du die Kraft für solche Liebe? Wer ist dir Vorbild?",
fragte Corinne. "ER !" antwortete der Zauberer und
zeigte nach oben. "Gott
liebt
so."
Da
ging Corinne glücklich nach Hause, denn sie hatte einen
großen Schatz entdeckt.
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